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Geschlechterverhältnisse und Energiewende

Leitung:
Martina Hülz

Erkenntnisse aus dem DFG Projekt "Räumliche Transformationsprozesse der Energiewende – Planungsbezogene Analyse- und Gestaltungspotenziale der Geschlechterforschung"

Portrait

Mit diesem Forschungsprojekt werden die Potenziale der Geschlechterforschung im Kontext einer nachhaltigen Transformation des Energiesystems sichtbar gemacht und damit auch Grundlagen für weitere Forschungen geschaffen. Das Projekt nimmt Bezug auf internationale Debatten zu Geschlecht und nachhaltige Energiewende und ergänzt diese mit einem Fokus auf raumplanerische und gestaltungsbezogene Prinzipien der deutschen Energiewende.

Illustrative Grafik, drei Personen liegen auf einer Picknikdecke unter Windkraftanlagen, drei Fahrräder lehnen und liegen daneben

Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zunächst mit einer Projektlaufzeit von 30 Monaten bis zum 03/2024 gefördert und wurde dann bis 09/2024 verlängert.

  • Geschlechterperspektiven fungieren als „Augenöffner“ für Marginalisierungs- und Hierarchisierungsprozesse und eröffnen neue Potenziale für planungsbezogene Analyse- und Gestaltungsprinzipien.
  • Die Integration von Erkenntnissen aus Geschlechterperspektiven kann räumliche Planungs- und Gestaltungsprinzipien für eine nachhaltige Energiewende verbessern
  • Basierend auf vier analytischen Geschlechterperspektiven wurde ein theoretischer Rahmen (Heuristik) entwickelt, der planungsrelevantes Wissen für die Forschung und Umsetzung von räumlichen Transformationsprozessen der Energiewende neu strukturiert.

Hintergrund

Die Energiewende bezeichnet einen Transformationsprozess des Energiesystems bei dem der Anteil der erneuerbaren Energien weiter ausgebaut und die Energieeffizienz sowie die Energieeinsparung deutlich erhöht werden sollen. Dieser Aus- und Umbau hat räumliche Konsequenzen und wirkt sich sowohl auf die physische als auch auf die soziale Dimension von Räumen aus, was die räumlichen Planungen vor neue Herausforderungen stellt. Aus planerischer Perspektive sind dabei vor allem zwei Themenfelder bedeutsam:

Erstens geht es in substanzieller Hinsicht um den Wandel von Kultur- zu Energielandschaften. Zweitens geht es in prozeduraler Hinsicht um die Gestaltung einer raumbezogenen Governance, verbunden mit Fragen der Partizipation der Bevölkerung sowie der Akzeptanz der neuen Technologien.

Illustrative Grafik, drei Personen stehen auf einem Hügel und winken der untergehenden Sonne zu, auf der das Währungszeichen für den Euro zu sehen ist

Aus Perspektiven der Geschlechterforschung wurden diese Transformationsprozesse bislang noch kaum  theoretisch reflektiert und empirisch untersucht. Im Projekt wird danach gefragt, welche planungsbezogenen Potenziale die Geschlechterforschung zur Analyse und Gestaltung räumlicher Transformationsprozesse der Energiewende bietet. Im Fokus steht dabei nicht die Geschlechtergerechtigkeit im engeren Sinne. Vielmehr gehen wir davon aus, dass sich die Kategorie Geschlecht als „Eye-Opener“ zur Aufdeckung von diversen Macht-, Herrschafts- und Ungleichheitsverhältnissen nutzen lässt, die im Zuge räumlicher Transformationsprozesse (re)produziert werden können (z. B. das Verhältnis von öffentlichen und privaten Räumen oder das Verhältnis unterschiedlicher Wissensformen zueinander).

Forschungsziele

Das Forschungsprojekt konzentrierte sich auf drei Hauptziele:

  1. Wir wollen geschlechtsspezifisches Wissen über nachhaltige Energiewende in Bezug auf Systemwissen, Zielwissen und Transformationswissen generieren. Dies trägt zur Schaffung einer theoretischen Grundlage sowie zur planungsbezogenen Operationalisierung bei.
  2. Unsere Forschung zielt darauf ab, erste systematische empirische Erkenntnisse aus Geschlechterperspektiven für die planerische Gestaltung räumlicher Transformationsprozesse der Energiewende zu gewinnen und nutzbar zu machen, indem wir Geschlechterperspektiven in unsere Analyse integrieren.
  3. Wir streben an, eine Heuristik der Raumplanung zu entwickeln, die auf verschiedenen analytischen Geschlechterperspektiven basiert, um planungsbezogenes Wissen für die Erforschung und das Management der räumlichen Transformationsprozesse der Energiewende weiter zu fördern.

Vorgehen

Zur Weiterentwicklung des planungsbezogenen Wissens für die Erforschung und Gestaltung der räumlichen Transformationsprozesse der Energiewende wurde eine planungswissenschaftliche Heuristik „EnerGesch“ auf Basis verschiedener analytischer Zugänge der Geschlechterforschung erarbeitet. Im Forschungsdesign wurden diese Zugänge operationalisiert, indem vier Geschlechterperspektiven unterschieden wurden: Geschlecht als Differenz-, Struktur- und Prozesskategorie sowie als epistemologische Kategorie. Die Heuristik dient als Basis, um räumliche Transformationsprozesse der Energiewende entlang der Themenfelder Energielandschaften und Governance zu untersuchen.

Abbildung die das Forschungsdesign des Projekts zeigt

In der ersten empirischen Phase des Projekts wurden durch die Energiewende angestoßene Transformationsprozesse kritisch analysiert. Dazu wurden zwei Fallstudien in den Untersuchungsgebieten Reinhardswald (Teilprojekt 1) und Jänschwalde (Teilprojekt 2) durchgeführt. Die Zentrale Methode war es, qualitative Interviews mit Akteur:innen regionaler Energiewendeprozesse (Planer:innen, Verwaltung, Praktiker:innen, Aktivist:innen u. a.) zu führen. Ausgehend von den Relevanzsystemen dieser Akteur:innen wurden ausgewählte Aspekte in eine Governance-bezogene Dokumentenanalyse überführt sowie mit räumlichen Materialisierungen der Energielandschaften abgeglichen.

In der zweiten empirischen Phase wurden in einem transdisziplinären Prozess Szenarien einer sozial-ökologischen und intersektional gerechten Energiewende diskutiert. Diese speisten sich aus den Ergebnissen der ersten empirischen Phase, sowie aus dem bestehenden System-, Ziel- und Transformationswissen von Akteur:innen der Energiewende.

Teilprojekt 1: Windpark Reinhardswald

Leitung: Tanja Mölders (seit 4/2023 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg), Bearbeitung Janina Dannenberg (www.umweltplanung-transformation.uni-freiburg.de/forschung/raeumliche-transformationsprozesse-der-energiewende)

Geschäftsstelle der ARL: Katharina Kapitza

Der Windpark Reinhardswald (Hessen) stellt ein Beispiel für die aktuellen, z. T. konfliktreichen Debatten um die Flächenausweisung für Wind­energie dar. Ab 2022 sollen hier im Waldgebiet 20 Windkraftanlagen installiert und von der Energie­genossenschaft Reinhardswald betrieben werden. Neben Fragen der Bürger:innenbeteiligung und regionaler Wertschöpfung werden Aspekte natur­schonender Planung und Umsetzung des Projek­tes diskutiert.

Teilprojekt 2: Jänschwalde

Leitung: Martina Hülz (ARL – Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft),

Geschäftsstelle der ARL: Martina Hülz und Theresa Herdlitschka

Im (ehemaligen) Tagebau Jänschwalde in der brandenburgischen Lausitz überlappen sich Pro­zesse des Rückbaus fossiler Energiegewinnung (Phasing-Out) und des Ausbaus erneuerbarer Energien (Phasing-In) auch räumlich. Während Teile des Tagebaus noch bis Mai 2022 in Betrieb sind, wurden andere Bereiche bereits für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien ge­nutzt. Weitere Wind- und Energieparks sind in Planung.

Ergebnisse und Veröffentlichungen

Dankers, J.: Herdlitschka, T.; Kapitza, K.; Mölders, T. (2024): Geschlechterperspektiven auf Landschaft. In: Kühne, O.; Weber, F.; Berr, K.; Jenal, C. (Hrsg.): Handbuch Landschaft. Wiesbaden, Springer VS, 485-495.

Dankers, J.; Herdlitschka, T.; Kapitza, K.; Mölders, T. (2024): Energielandschaften nachhaltig:er gestalten? Geschlechterperspektiven auf räumliche Transformationsprozesse der Energiewende. In: Leibenath, M.; Gailing, L.; Birnbaum, A. (Hrsg.): Landscapes for Future? – Landschaften und sozial-ökologische Transformationen. Wiesbaden, Springer VS.

Herdlitschka, T.; Dankers, J.; Kienesberger, M.; Kapitza, K.; Mölders, M. (2024): Nachhaltigkeitsforschung und Geschlechterperspektiven: intersektionale Ansätze zur Analyse sozial-ökologischer Transformationen. GENDER. Heft 3, S. 104–120, https://doi.org/10.3224/gender.v16i3.08

Herdlitschka, T.; Kapitza, K. (2023): Energiewende und Gerechtigkeit – Geschlechterperspektiven als Augenöffner. politische ökologie 172, 60-65.

Mölders, T.; Dannenberg, J.; Herdlitschka, T.; Hülz, M.; Kapitza, K. (Hrsg.): Gender – Macht – Energiewende. Potentiale der Geschlechterforschung im Kontext raumbezogener Transformationen. Bielefeld, transcript (im Veröffentlichungsprozess).

Mölders, T.; Hülz, M. (2022): Die Energiewende als räumlicher Transformationsprozess: Forschungsprojekt an der ARL verbindet raum- und planungswissenschaftliche Zugänge mit Zugängen der Geschlechterforschung. In: Neues Archiv für Niedersachsen (2), 116-118.

 

Buchumschlag Gender - Macht - Energiewende


 Projektteam

Wissenschaftlicher Beirat

Timeline

Illustratives Element Timeline

Oktober 2021

 Kick-off Meeting

Februar 2022

1. Experten-Workshop

Februar 2023

2. Experten-Workshop

März 2023 – Oktober 2023

Fallstudie 2: Szenarienanalyse

Oktober 2023

3. Experten-Workshop

Oktober 2023 – März 2024

Weiterentwicklung planungsbezogenen Wissens

Entwicklung der Heuristik EnerGesch

 

 Links

Bildquellen

Die auf der Website verwendeten Bilder sind von Katrina Günther von "Thinking Visual", Berlin

Kontakt

Dr. Martina Hülz (ARL)
Tel. +49 511 34842-28
martina.huelz@arl-net.de

 

 

Aktuelles

Energiewende – vom Arbeitskreis zum DFG-Projekt

Das bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingeworbene Drittmittelprojekt „Räumliche Transformationsprozesse der Energiewende. Planungsbezogene Analyse- und Gestaltungspotenziale der Geschlechterforschung“ ist im Oktober 2021 gestartet. Das maßgeblich durch den ARL-Arbeitskreis „Räumliche Politik und Planung für die Energiewende“ inspirierte DFG-Projekt, verknüpft erstmals raum- und planungs-wissenschaftliche Zugänge zur Energiewende mit Perspektiven der Geschlechterforschung und eröffnet so neue Blickwinkel.

Zur kompletten Pressemitteilung (PDF)

Neues DFG-Projekt zu räumlichen Transformationsprozessen aus der Perspektive der Geschlechterforschung in der ARL

In der Geschäftsstelle der ARL gibt es seit diesem Oktober das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt „Räumliche Transformationsprozesse der Energiewende – Planungsbezogene Analyse- und Gestaltungspotenziale der Geschlechterforschung.

Im diesem Forschungsprojekt werden raum- und planungswissenschaftliche Zugänge zur Energiewende mit Perspektiven der Geschlechterforschung verbunden. Es steht zu erwarten, dass die Verknüpfung dieser bislang weitestgehend unverbundenen Wissensfelder zu einem besseren Verständnis der sozial-räumlichen Implikationen der Energiewendeprozesse beiträgt und insbesondere neue und alte Macht- und Herrschaftsverhältnisse aufzudecken vermag. Ziel des Projektes ist es, die Erkenntnisse der Geschlechterforschung für die planerische Gestaltung räumlicher Transformationsprozesse der Energiewende nutzbar zu machen. 

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