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Beyond Borders – zur Krisenfestigkeit grenzüberschreitender Verflechtungsräume

Leitung:
Florian Daniel Weber
Stellvertretende Leitung:
Karina Pallagst
Geschäftsführung:
Julia Dittel

Mehr als ein Drittel der Bürger:innen der Europäischen Union lebt und arbeitet in Grenzregionen. Neben spezifischen Herausforderungen wie administrativen Hürden, divergierenden Zuständigkeiten, unterschiedlichen Sprachen oder juristischen und fiskalischen Fragen zeigen sich auch große Chancen in zusammenwachsenden Arbeitsmärkten, grenzüberschreitend ausgerichteten Infrastrukturen und engem nachbarschaftlichen Austausch von Bewohner:innen dies- und jenseits nationalstaatlicher Grenzen. 

Im grenzregionalen Kontext sind derartige Tücken und Potenziale der besonderen Lage wohlbekannt.  Aus wissenschaftlicher und praktischer Perspektive konnte 2018 für den deutsch-französischluxemburgischen Kontext, aus der AG „Border Futures“ unter Leitung von Karina Pallagst und Andrea Hartz, die Veröffentlichung „Border Futures – Zukunft Grenze – Avenir Frontière. Zukunftsfähigkeit grenzüberschreitender Zusammenarbeit“ (Arbeitsberichte der ARL 20) als Zusammenschau der Hemmnisse und Chancen von Grenzräumen vorgelegt werden. 

Spezifika von Grenzregionen standen jedoch weniger im allgemeinen gesellschaftlichen und politischen Zentrum der Aufmerksamkeit – bis 2020, denn die Covid-19-Pandemie wirkte auch in diesem Kontext als Zäsur und gleichzeitig Impulsgeber. Mit den verstärkten Grenzkontrollen und teilweisen Grenzschließungen zeigte sich eindrücklich, wie stark die EU offener Binnengrenzen zum Bestandteil heutiger grenzüberschreitender Lebenswirklichkeiten geworden ist. Gleichzeitig wurde so manifest, wie wenig auf größere krisenhafte Umbrüche mit einem abgestimmten Handeln reagiert werden konnte, inwieweit bestehende Zuständigkeiten nicht mehr adäquat erscheinen und wo entsprechend weitergehende Handlungs- und Abstimmungsbedarfe opportun oder geradezu unumgänglich erscheinen. Die Covid-19-Pandemie wird damit zum Ausgangspunkt, um vor dem Hintergrund der Frage nach einer stärkeren Krisenfestigkeit Perspektiven – „Border Futures 2.0“ – für die künftige Entwicklung grenzüberschreitender Verflechtungsräume herauszuarbeiten.

Vor diesem Hintergrund stehen in der AG „Beyond borders – zur Krisenfestigkeit grenzüberschreitender Verflechtungsräume“ die nachfolgenden Themenfelder und Fragestellungen im Zentrum der Aufmerksamkeit:

  • Grenzüberschreitende Mehrebenen-Governance: Wie verändern und entwickeln sich – im Lichte der Erfahrungen der Covid-19-Pandemie – Strukturen und Prozesse politischer Steuerung im grenzregionalen Kontext im Wechselspiel mit Akteuren weiterer Ebenen? Welche Rolle spielen formelle im Verhältnis zu informellen Abstimmungsverfahren?
  • Grenzüberschreitende Raumplanung: Welche Bedarfe bestehen in Richtung einer stärker integrierten und abgestimmten gemeinsamen Raumplanung in Grenzregionen? In welchen Bereichen liegt eine besondere Virulenz zugunsten veränderter planungsrechtlicher Instrumente vor dem Hintergrund möglicher künftiger Krisen vor (u. a. Versorgungs-, Verkehrs- und Energieinfrastrukturen, Katastrophenschutz)? Welche Hürden bestehen? Wie stark differieren bzw. konvergieren Planungskulturen? Welche Potenziale lassen sich erkennen? Welche Rolle könnte grenzüberschreitenden Mechanismen (Diskussion um ECBM) und Experimentierklauseln (Aachener Vertrag) zukommen? 
  • Grenzüberschreitende Raumentwicklung: Welche Konzepte, Strategien und Maßnahmen können die künftige Entwicklung grenzüberschreitender Verflechtungsräume befördern? Welche Rolle kommt Kooperationsformen wie den Eurodistrikten zu? Wie verändert die zunehmende Digitalisierung Handlungsmöglichkeiten? Und welche Impulse könnten bzw. sollten europäische Förderpolitiken wie Interreg setzen? 
  • Grenzüberschreitende Lebenswirklichkeiten: Wie haben Bewohner:innen der Grenzregionen die verstärkten Grenzkontrollen bzw. Grenzschließungen im Zuge der Covid-19-Krise, die zeitweise Testpflicht für Grenzpendler:innen und/oder Berichte um aufflammende Ressentiments etc. erlebt und welche Handlungsbedarfe werden aus Bevölkerungsperspektive adressiert, um für potenzielle neue krisenhafte Ereignisse „gewappnet“ zu sein? Raumbezug Der räumliche Schwerpunkt der Arbeit liegt auf den grenzüberschreitenden Verflechtungsräumen des Saarlandes und von Rheinland-Pfalz zu den lothringischen und luxemburgischen Nachbarn, erweitert um Baden-Württemberg in Richtung Elsass und der Schweiz.