Die Macht der Erzählung: Verstehen und Nutzen von Narrativen in der Planungspraxis
Hintergrund und Zielsetzung
Die Fachtagung widmete sich der Frage, wie Narrative – gesellschaftlich wirksame Erzählmuster – die Akzeptanz und Umsetzung raumwirksamer Planungen, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien, beeinflussen. Ziel war es, die Wirkweise von Narrativen zu beleuchten und Strategien zu diskutieren, wie Planende eigene, positive Erzählungen entwickeln und kommunizieren können, um Akzeptanz zu fördern und sachliche Dialoge zu ermöglichen.
Zentrale Inhalte und Erkenntnisse
- Narrative prägen die öffentliche Wahrnehmung und beeinflussen maßgeblich die Akzeptanz von Planungsprozessen. Sie wirken oft stärker als sachliche Argumente und können sowohl Widerstand als auch Zustimmung mobilisieren.
- Die Planungspraxis steht vor der Herausforderung, unkonstruktive(?) emotionale Narrative zu erkennen und ihnen mit eigenen, positiven Geschichten zu begegnen. Insbesondere bei kontroversen Projekten wie Windenergieanlagen oder Bergbauvorhaben reichen Fakten allein nicht aus, um Akzeptanz zu schaffen.
- Erfolgreiche Dialoge setzen auf eine Kombination aus Information, Wertedialog und Beteiligung aller relevanten Akteure. Bewährte Werkzeuge sind Einzelgespräche, Dialoggruppen, Infomärkte, Exkursionen und transparente Bürgerentscheide. Die Moderation sollte allparteilich erfolgen, um Vertrauen zu schaffen und Konflikte konstruktiv zu bearbeiten.
Kurzzusammenfassungen der Vorträge
Moderiert wurde die Fachtagung von Anne Ritzinger, Verwaltung für Ländliche Entwicklung.
1. Realitätsschock für die Regionalplanung: Die Macht der Narrative in der Windenergieplanung
Oliver Weidlich (Regierung von Unterfranken) zeigte anhand von Beispielen aus dem Abbau von Rohstoffen und der Festlegung von Vorranggebieten für Windenergieanlagen, wie negative Narrative Ängste und Widerstände in der Bevölkerung schüren und sachliche Argumente oft nicht durchdringen und sogar politische Entscheidungen beeinflussen. Er betonte die Notwendigkeit, eigene positive Narrative zu entwickeln, die emotional ansprechen und Planungsprozesse unterstützen. Die zunehmende Bedeutung von Populismus und sozialen Medien verstärke die Wirkung solcher Erzählmuster.
Download des Vortrags von Oliver Weidlich (PDF)
2. Zukunft neu erzählen – Narratives Reframing durch Foresight
Julian Menninger (Z_punkt The Foresight Company) erläuterte, wie mittels Zukunftsforschung (Foresight) alternative, positive Zukunftsbilder als Narrative gestaltet werden können, um komplexe Themen verständlich zu machen und unterschiedliche Zielgruppen zu motivieren. Beispiele wie „Energielandschaften SH 2042“ zeigen, wie nachhaltige Transformation als Chance kommuniziert werden kann. Narrative können so Handlungsfähigkeit und Zuversicht schaffen.
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3. Wie können Dialoge zu raumwirksamen Planungen gelingen?
Yvonne Knapstein (team ewen GbR) stellte heraus, dass erfolgreiche Dialoge auf der frühzeitigen Identifikation und aktiven Gestaltung von Narrativen basieren. Sie präsentierte Methoden wie Einzelgespräche, Dialoggruppen und Bürgerentscheide als Instrumente, um Akzeptanz zu fördern und Konflikte konstruktiv zu bearbeiten. Wesentlich sei eine Kombination aus sachlicher Information und emotionalem Wertedialog.
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4. Positive Narrative in der Landesplanung: Das LEP-Projekt
Prof. Manfred Miosga (Universität Bayreuth) hob hervor, dass positive Narrative in der räumlichen Planung und Politik kollektive Identitäten stärken und Sinn stiften. Sie helfen, komplexe Ziele verständlich zu machen, fördern gesellschaftliches Engagement und erleichtern die Kommunikation in politisch sensiblen Prozessen. Narrative sollten aktiv gestaltet und als Brücke zwischen Planung, Politik und Bevölkerung genutzt werden. Als konkretes Projekt stellte er eine Videokampagne vor, die aus der Perspektive des Jahres 2040 positive Auswirkungen einer angenommenen LEP-Neuaufstellung beleuchtet. Die Videos dazu sollen im Laufe des Jahres 2025 veröffentlicht werden.
Download des Vortrags von Prof. Manfred Miosga (PDF)
Podiums- und Plenumsdiskussion
In der abschließenden Diskussion wurde intensiv über die Herausforderungen und Chancen beim Einsatz von Narrativen in der Planungspraxis debattiert. Ein zentrales Thema war der Umgang mit widersprüchlichen und konkurrierenden Narrativen, insbesondere in polarisierten gesellschaftlichen Kontexten. Die Teilnehmenden betonten, dass Planende zunehmend gefordert sind, nicht nur mit Fakten zu argumentieren, sondern auch emotionale und identitätsstiftende Aspekte in ihre Kommunikation einzubeziehen.
Es wurde diskutiert, wie Narrative gezielt entwickelt und eingesetzt werden können, ohne dabei in Manipulation oder bloße Imagepflege abzurutschen. Die Rolle der Planenden als neutrale Moderatoren, die zwischen verschiedenen Interessen vermitteln und Vertrauen aufbauen, wurde als besonders wichtig hervorgehoben. Auch die Bedeutung kleiner, zielgruppenspezifischer Dialogformate wurde unterstrichen, da diese oft wirksamer sind als große, formelle Veranstaltungen.
Es herrschte Konsens, dass Narrative ein unverzichtbares Instrument für die Planungspraxis darstellen, um Akzeptanz zu schaffen, Partizipation zu ermöglichen und komplexe Transformationsprozesse zu begleiten. Die Tagung zeigte, dass die bewusste und reflektierte Nutzung von Narrativen ein Schlüssel für erfolgreiche Planungsprozesse in einer zunehmend komplexen und emotionalisierten Gesellschaft ist.
Fazit und Ausblick
Die Tagung verdeutlichte, dass die Akzeptanz raumwirksamer Planungen stark davon abhängt, ob es gelingt, überzeugende, positive Narrative zu entwickeln und zu kommunizieren. Sachliche Information bleibt wichtig, muss aber durch Storytelling und gezielte Ansprache von Emotionen ergänzt werden. Narrative sind zentrale Instrumente, um komplexe Themen verständlich zu machen, gesellschaftliches Engagement zu fördern und nachhaltige Transformationen zu begleiten.