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Kommunale Finanzkrise und Stadtentwicklung

Mit dieser Thematik beschäftigten sich die Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Nordrhein-Westfalen auf ihrer Herbstsitzung, die unter Leitung der Vorsitzenden, Dr. Susan Grotefels, Münster, am 2. November 2010 in Düsseldorf stattfand.

Dr. Grotefels eröffnete die Sitzung, begrüßte die Teilnehmer/innen und führte kurz in das Thema der Tagung ein. Hierbei erwähnte sie auch einen gemeinsamen Ad-hoc-Arbeitskreis von ARL und DASL, in dem Mitglieder beider Akademien Empfehlungen zur Reform der Gemeindefinanzen erarbeiten. Im Mittelpunkt der Empfehlungen stünden die Ziele einer zukunftsfähigen Stadt- und Raumentwicklung. Besonderer Wert werde darauf gelegt, dass Städte ihre raumpolitischen Aufgaben als ökonomische „Motoren“ (Entwicklungsfunktion), als Orte der sozialen Entwicklung (Ausgleichs- und Integrationsfunktion) und als Träger zentralörtlicher Funktionen (Versorgungsfunktion) selbstverantwortlich und zukunftsbezogen wahrnehmen  können.

In dem ersten Vortrag setzte sich Dr. Stephan Keller, Beigeordneter beim  Städte- und Gemeindebund NRW, mit dem Thema „Kommunale Finanzkrise und Stadtentwicklung aus Sicht der nordrheinwestfälischen Kommunen“ auseinander. Eindringlich schilderte er die sich bereits seit langem zuspitzende Verschuldung der Kommunen. Nur noch sehr wenige hätten strukturell ausgeglichene Hauhalte. Besorgniserregend sei vor allem die sich immer weiter öffnende Schere aufgrund zurückgehender Sachinvestitionen bei gleichzeitig stark wachsenden Sozialaufwendungen. Da die „fremdgesteuerten“ Ausgaben zunehmend aus dem Ruder liefen, besäßen strukturelle Reformen höchste Priorität (siehe auch die Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen auf Bundesebene).

Vor dem Hintergrund der überaus prekären kommunalen Finanzsituation in Nordrhein-Westfalen ging Keller dann anhand einiger Thesen auf die Konsequenzen für die Stadtentwicklung ein. Am Beispiel der Leipzig Charta zeigte er auf, in wie starkem Maße die dort formulierten Ziele und Handlungserfordernisse von der Finanzkrise betroffen seien. Dies gelte gleichermaßen für Ansätze einer integrierten Stadtentwicklung oder eine stärkere Steuerung über strategische Konzepte wie für städtebauliche Aufwertungsstrategien, die Stärkung der lokalen Ökonomie, die Förderung eines leistungsstarken und preisgünstigen Stadtverkehrs oder für Maßnahmen der energetischen Sanierung. Insgesamt dürfte die Finanzkrise Tendenzen eines Rückfalls in den projektbezogenen Inkrementalismus („muddling trough“) verstärken und zu einer investorenseitig getriebenen städtebaulichen Entwicklung führen – auf Kosten integrierter Stadtentwicklungsansätze.

Der anschließende Vortrag von Prof. Dr. Martin Junkernheinrich, TU Kaiserlautern, behandelte das Thema „Kommunen in der Finanzkrise – am Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen“. Hierbei wurde auch die fiskalische (Krisen-)Entwicklung in ganz Deutschland berücksichtigt. Eine Analyse der fiskalischen Entwicklung in Nordrhein-Westfalen verdeutlicht, dass bereits seit 1990 die kommunalen Finanzsalden nahezu durchgängig Defizite ausweisen. Ebenso eindringlich wie fachlich überzeugend zeigte Junkernheinrich auf, welche Schritte auf dem Weg zur nachhaltigen Wiederherstellung der kommunalen Handlungs- bzw. Investitionsfähigkeit erforderlich sind. Neben dem zentralen Punkt eines kommunalen Haushaltsausgleichs in allen Gemeinden sei die Entlastung der Kommunen in Notlagen unerlässlich. Die dauerhafte Sicherung einer aufgabengerechten Finanzausstattung könne durch eine wirtschaftliche(re) Aufgabenerfüllung, die Erhöhung der Einnahmen und die Reduktion von Aufgaben erfolgen. Neben dem Haushaltsausgleich (in allen Kommunen) sei die zweite große Baustelle der Finanzpolitik ein Abbau der Altschulden. Wichtige Bausteine zur Rückführung des strukturellen Haushaltsdefizits seien beispielsweise eine höhere Beteiligung des Bundes an den Sozialausgaben, die kommunale Konsolidierung und temporäre Konsolidierungsbeihilfen. Besonders prägnant und eindringlich wurde aufgezeigt, wie eng das Zeitfenster für alle finanzpolitisch relevanten Akteure ist bzw. wie zwingend erforderlich schnelles fiskalpolitisches Handel ist.

In einer anschließenden Diskussion wurden neben der Erörterung finanzpolitischer Grundsatzfragen und Entwicklungstrends vor allem die bereits angedeuteten Auswirkungen auf die Stadt- und Regionalentwicklung (Leipzig Charta) behandelt.

Aus: Nachrichten der ARL 4/2010

Gerd Tönnies