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Das Diskussionsforum Raumentwicklung 2020 im Rückblick

3. September 2020 in Hannover

Die neue „Territoriale Agenda 2030“: Mehr Fokus auf die Implementation


Mit dem „Diskussionsforum Raumentwicklung“ besteht im Rahmen der Modellvorhaben der Raumordnung (MORO) seit einigen Jahren eine Veranstaltungsreihe, um aktuelle, gesellschaftsrelevante Themen der räumlichen Entwicklung mit Expertinnen und Experten sowie einer breiteren Öffentlichkeit zu diskutieren.

Das diesjährige Diskussionsforum wurde durch die ARL in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) organisiert und nahm anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft eine europäische Perspektive auf die Raumentwicklungspolitik ein. Im Fokus standen die Ziele und Maßnahmen der neuen Territorialen Agenda 2030 (TA). Diese soll unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020 auf einer Konferenz am 1. Dezember 2020 verabschiedet werden und ist eine Weiterentwicklung der Territorialen Agenden aus den Jahren 2007 und 2011.

Der Themenschwerpunkt des Diskussionsforums „Raumentwicklungspolitik für ein gerechtes und grünes Europa: Die Territoriale Agenda 2030“ orientierte sich an den beiden Schwerpunkten der Agenda: ‚A Just Europe‘ und ‚A Green Europe‘. Die Veranstaltung, die hybrid mit Präsenz vor Ort in Hannover und online als Livestream sowie im Webkonferenz-Format stattfand, sollte vor allem einen fachlichen Austausch über die verschiedenen Perspektiven im Mehrebenensystem Europas auf die Ziele und den Umsetzungsprozess der Agenda ermöglichen.

Das Auditorium vor Ort © ARL

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Eine zentrale Feststellung:
Die neue TA legt einen stärkeren Fokus auf die Implementation als die Vorgängerin von 2011


Inhaltlich führten Dr. Kai Böhme von Spatial Foresight sowie Martin Gauk von ESPON in die Agenda ein. Kai Böhme betonte, dass die neue TA einen stärkeren Fokus auf die Implementation lege als die Vorgängerin von 2011. Die Umsetzung soll insbesondere dadurch besser gelingen, dass alle relevanten Akteure im Rahmen ihres eigenen Mandats aktiv werden sollen und keine Nebenstrukturen aufgebaut werden, bei denen die Gefahr bestünde, dass sie keinen Impact in den entscheidenden Prozessen erreichen. Über die geplanten sechs Pilotaktionen (detaillierte Informationen unter www.territorialagenda.eu/actions.html) sollen flexibel in Fokus und Charakter alle administrativen Ebenen von transnational bis nachbarschaftlich angesprochen werden, um neue Ideen zu testen und zu teilen.

Martin Gauk ergänzte diese Ausführungen um eine Darstellung der Datenlage zu räumlichen Herausforderungen in Europa. Er verwies darauf, dass funktionale Verflechtungen und administrative Zuständigkeiten oft nicht (mehr) deckungsgleich sind. Neue funktionale Strukturen wachsen schnell, aber die administrativen Zuständigkeiten können damit nicht Schritt halten. Insbesondere grenzüberschreitende Regionen bräuchten neue Rechtsrahmen.

Den Finger in die Wunde: Bisherige Versäumnisse in der EU-Kohäsionspolitik

Prof. Simin Davoudi legte anschließend mit ihrer wissenschaftlichen Keynote den Finger in die Wunde bisheriger Versäumnisse in der EU-Kohäsionspolitik. Zu sehr sei von dem Ziel der Kohäsion auf das Ziel des Wettbewerbs umgeschwenkt worden. Zudem sei der Fokus zu sehr auf die Bevölkerung und zu wenig auf die Räume, in denen sie lebt, gerichtet worden. So seien immer mehr Räume vernachlässigt worden, um die allgemeine Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Eine reine Umverteilungspolitik sei daher nicht hinreichend, es müsse zusätzlich um Empowerment und das Erzeugen von Fähigkeiten in abgehängten Regionen gehen.
 

Diskussion mit den Inputgebenden online © ARL

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Aus den sich anschließenden vielschichtigen Diskussionen im Rahmen der Podiumsdiskussion und zwei parallelen Workshops seien an dieser Stelle nur exemplarisch einige Thesen und Erkenntnisse benannt:

  • Die TA und ihr Prozess eröffnen einen Diskussionsraum sowohl auf europäischer, aber vor allem auch auf nationaler Ebene für die europäische Perspektive und die europäischen Dimensionen der Raumentwicklungspolitik. Nur so können Zielkonflikte auch benannt, ausformuliert und bearbeitet werden.
  • Zu hohe Erwartungen können ein Scheitern der TA begünstigen. Wichtig sei es, Umsetzungsmöglichkeiten zu nutzen und dabei auch aktiv Akteure unterer administrativer Ebenen einzubinden.
  • Nicht alle strukturellen Disparitäten können „weggefördert“ werden, Wettbewerbs- und Ausgleichsorientierung müssen sich ein Stück weit die Waage halten.
  • Die Leitbilder der Raumentwicklung in Deutschland müssen mit Blick auf die TA womöglich angepasst werden. Zudem sollte es eine Handreichung zur TA geben.
     

Hybride Podiumsdiskussion © ARL

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In einem engagierten abschließenden Beitrag formulierte die niedersächsische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und regionale Entwicklung, Birgit Honé, als Mitglied im Ausschuss der Regionen eine Ebenen übergreifende und integrierende Sicht auf Raumentwicklung und deren Förderung. Sie betonte dabei vor allem, dass die Strukturförderung insgesamt stärker auf Gleichwertigkeit fokussiert werden muss. Kleine und mittlere Städte brauchen finanzielle Unterstützung für die Erstellung von Entwicklungskonzepten und es müsse auch mal ein Scheitern erlaubt sein – z. B. bei der freiwilligen kreisübergreifenden Zusammenarbeit. Nur so würden Routinen verlassen.

Ministerin Birgit Honé

 

 

 

 

 

 

 


 

 

Die Bedeutung des Themas spiegelt sich in der Zusammenstellung der hochkarätigen (inter)nationalen Referentinnen und Referenten wider:

Für die Perspektive aus Deutschland waren neben dem einladenden BMI, vertreten durch Dr. Daniel Meltzian, dem Referatsleiter Europäische Raumentwicklungspolitik & territorialer Zusammenhalt, überdies die kommunale Ebene durch Hilmar von Lojewski, Beigeordneter des Deutschen Städtetages und Leiter des Dezernats „Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen, Verkehr“, die regionale Ebene durch Thomas Kiwitt, Leitender Technischer Direktor des Verbandes Region Stuttgart sowie die Länderebene durch Hildegard Zeck, Abteilungsleiterin im Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Abteilung Raumordnung, Landentwicklung, Förderung sowie Max Winter, Leiter der Abteilung für Landesentwicklung, Vermessungswesen im Sächsischen Staatsministerium für Regionalentwicklung präsent.

Für die internationale Perspektive waren fachliche Vertreter/innen verschiedener Staaten sowie europäischer Institutionen beteiligt: Elisa Vilares, Abteilungsleiterin der Territorialdirektion im portugiesischen Umweltministerium, Dr. Thiemo Eser vom Ministerium für Energie und Raumplanung in Luxemburg, Sverker Lindblad, Leitender Berater im Ministerium für Unternehmen und Innovation in Schweden sowie Alexandros Karvounis für die Europäische Investitionsbank.

Die wissenschaftliche Perspektive wurde durch Expertinnen und Experten aus den Raumwissenschaften eingebracht: Prof. Simin Davoudi von der Universität Newcastle, Prof. Dr. Tobias Chilla von der Universität Nürnberg-Erlangen, Prof. Dr. Jörg Knieling von der HafenCity Universität Hamburg sowie Prof. Maroš Finka von der Technischen Universität der Slowakei in Bratislava kommentierten den Entwurf und dessen Entstehungsprozess sowie die zukünftige Implementierung und Umsetzung der Ziele der Territorialen Agenda aus verschiedenen Perspektiven.

 

Impressionen und weitere Materialien:

>> Hier finden Sie Livemitschnitte des Forums.
>> Hier geht es zur Fotogalerie.
>> Hier geht es zum Flyer in Deutsch oder Englisch.

Vorträge als Folien zum Download:
Dr. Kai Böhme (Spatial Foresight Luxemburg): Einführung in die Territoriale Agenda 2030
Martin Gauk (ESPON): Territorial Challenges in Europe - Data and Evidence

Veranstaltungsdokumentation als Broschüre zum Download:
>> MORO Informationen 14/9 (deutsch)
>> MORO Informationen 14/9 (englisch)

 

Kontakt
Dr. Sebastian Krätzig (ARL)
kraetzig@arl-net.de
Telefon: 0511 34842-52



Die Veranstaltungsreihe „Diskussionsforum Raumentwicklung“ wird gefördert durch BMI und BBSR.