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Was kommt nach der Show?

Events in der Stadt- und Regionalentwicklung auf dem Prüfstand

Events sind ein beliebtes Instrument, um die touristische Attraktivität von Städten und Regionen zu erhöhen und bereits länger geplante Infrastrukturmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Der große „Sprung nach vorn“ soll innerhalb der Städte und Gemeinden Aufbruchsstimmung erzeugen und alle Kräfte auf das gemeinsame Ziel hin bündeln. Nach außen gelten Großereignisse als das Mittel, um die eigene Medienpräsenz und Bekanntheit zu erhöhen, das Stadtimage aufzupolieren und im Standortwettbewerb um Touristen, private Investitionen und staatliche Fördergelder gegenüber der Konkurrenz zu punkten.

Doch was kommt nach der Show? Wie kann sichergestellt werden, dass eine Bundes- und Landesgartenschau, eine Internationale Bauausstellung oder ein anderes Großereignis mehr ist als ein „Einmal-Ereignis“, dessen Wirkung verpufft, sobald der letzte Besucher das Gelände verlässt? Diese Frage stand im Mittelpunkt der gemeinsamen Frühjahrstagung der LAG Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen und der LAG Berlin/Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern am 25. und 26. April im Bauhaus in Dessau.

Was sind Großereignisse und wann sind sie erfolgreich?

Zu Beginn ging es um die Frage, welche Merkmale Großereignisse gegenüber der alltäglichen Planungspraxis auszeichnen. Dr. Ludwig Scharmann, Leiter der LAG Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen, schlug eine Klassifizierung anhand von fünf Merkmalen vor: öffentliche Präsenz, Größe, Wettbewerbsorientierung, Sonderorganisation und Ansiedelung auf Industriebrachen. Großereignisse werden demnach umgesetzt durch eine bestimmte Organisationsform (nämlich für diesen Zweck gegründete Entwicklungsgesellschaften oder Projektgruppen innerhalb der Verwaltung), auf speziellen Flächen (oftmals stillgelegte Güterbahnhöfe oder Hafenanlagen) und zu dem Zweck, im Standortwettbewerb die eigene Präsenz und damit die Attraktivität gegenüber anderen Standorten zu erhöhen. Je nach Strahlungswirkung (kommunal bis international) und Dauer des Planungsverfahrens (kurzzeitig oder mehrere Jahre) könne zwischen unterschiedlichen Events differenziert werden.

Wenn Großprojekte sich auf mehreren Ebenen von der üblichen Planungspraxis unterscheiden, welche Folgewirkungen hat dies für die Bürgerbeteiligung und damit für die Akzeptanz der Großprojekte in der Bevölkerung? Diesen Fragen ging Prof. Dr. Oliver Ibert vom Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner nach. Ibert zufolge stehen zwei zentrale Merkmale von Großereignissen – ihre Zielorientierung und Temporalität – einer breiten Bürgerbeteiligung entgegen. So gebe es bei großen Projekten meistens eine harte Deadline und einen frühen „point of no return“. Die Projekte entwickelten im Verlauf eine Eigendynamik, die eine Umkehr selbst bei schwindenden Mehrheiten und explodierenden Kosten deutlich erschwere. Zudem bestehe eine Kluft zwischen langer Vorbereitungszeit und anschließender Umsetzung unter Handlungsdruck, wie zuletzt bei „Stuttgart 21“. Wenn man berücksichtige, dass Beteiligung von Betroffenheit getrieben und daher oft erst virulent werde, wenn die Baukräne anrücken, laute das ernüchternde Fazit: „Der Tiger lässt sich nicht reiten“.

Entbehren Großprojekte deshalb jeglicher Legitimation? Nach Ibert ist bei einer unzureichenden Bürgerbeteiligung eine nachträgliche Legitimation von Großprojekten über ihren Output möglich. Voraussetzung hierfür sei eine erfolgreiche Umsetzung, die maßgeblich davon abhänge, dass von Beginn an klare Vorstellungen über die Ziele und die Umsetzung des Projekts vorhanden seien und ein professionelles Team mit der Umsetzung betraut werde. Ferner plädierte er für eine gewisse Ambiguitätstoleranz gegenüber Großprojekten, denn oftmals hänge eine erfolgreiche Projektumsetzung genau von jenen Merkmalen ab, die von Außenstehenden häufig kritisiert würden (z. B. Emotionalisierung, positive Erwartungshaltung, Schaffung gegenseitiger Verbindlichkeiten). Stefan Voß, Leiter des Stadtmarketings Halle und Landesbeauftragter Ost der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland, betonte hingegen die Kontextabhängigkeit von Events. Diese seien dann erfolgreich, wenn sie an eine Tradition anknüpften bzw. die Stadtgeschichte aufgriffen – wie etwa die Stadt Halle mit den Händel-Festspielen. Ferner sollte eine erfolgreiche Eventidee wiederholt und mit einer Vielzahl von kleinen Veranstaltungen und Marketingideen verbunden werden (z. B. Händelstadt Halle).

Lernen aus der Praxis: Großereignisse im Rückblick

Einen Einblick in bereits abgeschlossene Großprojekte gaben Andreas Michelmann, Oberbürgermeister von Aschersleben (Landesgartenschau 2010) und Ramon Miller, Dezernent für Stadtentwicklung und Umwelt der Stadt Gera (Bundesgartenschau Gera-Ronneburg 2007). Beide Städte haben die Gartenschauen als Motor genutzt, um bereits vorhandene Pläne zur Gebäudesanierung und zur Verkehrs- und Stadtentwicklung umzusetzen. In beiden Städten diente das Event als Mittel zum Zweck (Imageverbesserung, Attraktivitätssteigerung), weswegen frühzeitig Verbindungen zu anderen Politikbereichen geschaffen und die Events in eine übergeordnete Stadtentwicklungsstrategie eingebettet wurden. Im Ergebnis habe sich das Stadtbild und das Image der Städte zum Positiven gewandelt, und die Bewohner identifizierten sich stärker mit ihrem Wohnort. In Gera wurde die Abwärtsspirale des Gebiets gestoppt und nach Aschersleben, so Michelmann, kommen auch zwei Jahre nach dem Event mehr Touristen als vorher. Als Erfolgsfaktoren nannten Michelmann und Miller die starke Unterstützung des Oberbürgermeisters – dieser müsse „für das Projekt brennen“ –, ein professionelles Projektteam und die Einbettung von Großprojekten in übergreifende Konzepte der Stadtentwicklung.

Also alles nachhaltig und ohne Nebenwirkungen? Nicht ganz, denn in der Diskussion wurde deutlich, dass beide Projekte sich, ganz wie von Ibert zuvor beschrieben, eher ex post über ihren Output denn über eine breite Beteiligung im Vorfeld legitimierten. In Gera wurden darüber hinaus die notwendigen Eigenmittel der Stadt mit der Privatisierung einer städtischen Klinik und einer Wohnungsgenossenschaft erkauft.

Die Frage, was aus der IBA Fürst-Pückler-Land geworden ist, versuchte Prof. Brigitte Scholz von der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft zu beantworten. Im Hinblick auf die IBA-Themen (z. B. die Seenlandschaft oder die Idee der schwimmenden Häuser) sei, so Scholz, durchaus eine nachhaltige Wirkung festzustellen, wohingegen im Hinblick auf die Verstetigung der IBA-Institutionen und Netzwerke die Praxis hinter die Erwartungen zurückgefallen sei. Zwar wurde mit dem neu für Studierende eingerichteten Studierhaus der „Geist der IBA“ weitergetragen, eine institutionelle Verstetigung auf regionaler Ebene wie bei der IBA Emscher Park sei hingegen nicht gelungen. Ihr Fazit: „Die IBA Fürst-Pückler-Land hat von unten angefangen und geht von unten weiter.“

Work in Progress: LAGA Oelsnitz, IBA Berlin und IBA Thüringen

Wie ist es um die gegenwärtige Planung zukünftiger Großprojekte bestellt? Ricarda Pätzold von adrian prozessnavigation, dem Begleitbüro der IBA Berlin 2020, und Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup, Geschäftsführer der IBA Thüringen 2023, gaben Einblicke in die höchst unterschiedlich verlaufenden Planungsprozesse der beiden Bauausstellungen. Während das Vorbereitungsteam der IBA Berlin in vielen Zukunftswerkstätten und Diskussionsveranstaltungen die Themen der IBA erarbeitet habe und nun vor der Aufgabe stehe, zu entscheiden, wie aus der Vielzahl vorhandener Konzeptideen und Themenvorschläge etwas ausgewählt werden solle (per Volkentscheid oder Expertengremium?), verlaufe der Planungsprozess in Thüringen in umgekehrter Richtung. Die Ideen seien eher im Stillen entwickelt worden, eine Machbarkeitsstudie wurde bereits 2011 in Auftrag gegeben und die Finanzierung sei, im Gegensatz zur IBA Berlin, bereits gesichert. Es fehle jedoch eine inhaltliche Konkretisierung, so Lütke Daldrup. Darüber hinaus unterscheide sich die IBA Thüringen durch ihren räumlichen Zuschnitt: Sie sei nicht auf eine einzelne Stadt konzentriert, sondern die Entwicklung des Bundeslandes Thüringen sei Thema der IBA.

Von einem zeitlich wesentlich näherliegenden Großereignis, der Landesgartenschau Oelsnitz, berichtete Bernd Birkigt, Geschäftsführer der Oelsnitz 2015. Wie auch Aschersleben und Gera versuche Oelsnitz, über das geplante Großereignis die Bevölkerungsabwanderung und den Abwärtstrend des Ortes aufzuhalten, indem die Landesgartenschau als Hebel für Sanierungs- und Umgestaltungsmaßnahmen genutzt werde.

Fazit: Großereignisse wirken selten aus sich selbst heraus

Wie ist es zusammenfassend um die Nachhaltigkeit von Events in der Stadt- und Regionalentwicklung bestellt? Zunächst ist Event nicht gleich Event. In der Abschlussdiskussion wurde hierzu betont, dass Mega-Events wie z. B. die Olympischen Spiele eine andere Planung erfordern und andere Effekte haben als Landestage oder Landesgartenschauen. Internationale Bauausstellungen haben eine andere „Mission“ als Bundesgartenschauen: Während Erstere dazu dienen, innovative Problemlösungen zu entwickeln, für die im normalen Verwaltungsalltag kein Raum ist, dienen Letztere als Leistungsschauen hauptsächlich der Attraktivitätssteigerung des Austragungsortes. Dementsprechend seien, so Lütke Daldrup, auch die Ansprüche an die Politik unterschiedlich: Zwar spiele die Politik in der Herbeiführung von Entscheidungen bei allen Großereignissen eine zentrale Rolle, bei Bauausstellungen müsse sie hingegen ihren Einflussbereich zugleich beschränken, um den notwendigen experimentellen Freiraum zu schaffen. Unabhängig von der Art des Events betonten alle Referenten und Diskutanten, dass Großprojekte nur dann nachhaltig erfolgreich seien, wenn sie in die übergeordneten Ziele der Stadtentwicklung eingebunden würden und es möglich sei, Verbindungen zu anderen Politikbereichen zu schaffen. Das Projekt dürfe kein Fremdkörper sein, sondern müsse aus der Geschichte des Ortes und seiner Kultur erwachsen.