Perspektive Nettonull-Flächenverbrauch
Innenentwicklung, Rückbau und städtebauliche Qualifizierung als Elemente einer Flächenkreislaufwirtschaft
Das anhaltende Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsfläche gehört zu den nicht bewältigten Herausforderungen einer nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung. Die deutsche Bundesregierung hat daher beschlossen, die Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsflächen bis 2030 auf 30 Hektar pro Tag und bis 2050 in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen der Europäischen Kommission auf Nettonull zu reduzieren. Eine Flächeninanspruchnahme von Nettonull setzt eine Flächenkreislaufwirtschaft voraus, die nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ neue Wege im Flächenschutz beschreitet. Eine simple Fortsetzung bisheriger Strategien und Ansätze genügt nicht.
Die negativen Effekte der Flächeninanspruchnahme sind weitgehend bekannt und bereits vielfach untersucht worden. Dazu gehören der Verlust von offener Landschaft, Landwirtschaftsflächen und ökologischen Habitaten, die Beeinträchtigung von Ökosystemdienstleistungen sowie steigende Folgekosten für Infrastrukturen und Leistungen der Daseinsvorsorge. Weitere Auswirkungen unterscheiden sich deutlich zwischen wachsenden und schrumpfenden Städten und Gemeinden. In wachsenden Städten werden größere zusammenhängende Erholungsflächen oder wirksame Frischluftschneisen weiter reduziert. Grün und Freiraum werden zum Luxus. In schrumpfenden Kommunen geht die Neuinanspruchnahme von Flächen häufig mit einer Verödung der inneren Bestandsgebiete, der Ortskerne und der innerstädtischen öffentlichen Räume einher. Nordrhein-Westfalen hat mit derzeit 23,0 % den höchsten Anteil an Siedlungs- und Verkehrsfläche aller Flächenbundesländer (Bundesdurchschnitt ca. 13 %).
In den zurückliegenden Jahren wurden durchaus Erfolge im Freiflächenschutz erreicht. Im Baugesetzbuch wurde das Primat der Innenentwicklung nochmals gestärkt. In dieselbe Richtung zielte die Schärfung des raumordnerischen Instrumentariums (z.B. quantifizierte Vorgaben zur Verringerung der Flächeninanspruchnahme). Der Druck auf den Wohnungsmärkten in wachsenden Großstädten hat allerdings eine gegenläufige Entwicklung ausgelöst. Es werden wieder vermehrt Projekte der Stadterweiterung realisiert. In jedem Fall sollten die Erfolge nicht darüber hinwegtäuschen, dass bislang lediglich eine Begrenzung des Zuwachses erreicht wurde.
Um auf veränderte Anforderungen an die Siedlungsstruktur und Verkehrsinfrastruktur reagieren zu können, wird es auch künftig nötig sein, Flächen neu in Anspruch zu nehmen. Um diesen Anteil zu minimieren, sind eine verstärkte Nutzung von Innenentwicklungspotenzialen sowie eine intensivere bauliche und sonstige Nutzung der überplanten Flächen mit höherer Dichte anzustreben. Unter den Bedingungen einer Flächenkreislaufwirtschaft ist eine Neuinanspruchnahme von Flächen zudem nur möglich, wenn gleichzeitig an anderer Stelle im gleichen Umfang Siedlungs- und Verkehrsflächen zurückgebaut und zum Beispiel in land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, Freiraum oder naturnahe Flächen umgewandelt werden. Dies findet bislang erst in vernachlässigbar geringem Umfang statt. Der Rückbau von Siedlungs- und Verkehrsflächen ist eine für die Stadt- und Regionalplanung trotz der Erfahrungen im Stadtumbau noch immer ungewohnte Aufgabe, die neue Fragen aufwirft.
Die Arbeitsgruppe ist empirisch ausgerichtet, plant eine Kommunalumfrage zum Status-quo der Flächenentwicklung, wertet Daten und Literatur aus und zielt auf konzeptionelle und instrumentelle Vorschläge, die das Flächensparen und eine qualitätvolle Stadtentwicklung gleichermaßen berücksichtigen