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Länderprofil Baden-Württemberg

1    Übersicht und (geographische) Fakten

Abbildung 1: Karte des Landes Baden-Württemberg mit seinen 12 Planungsregionen und den zugehörigen Sitzen der Regionalverbände. Die Textübersicht daneben ordnet die Planungsregionen den vier Regierungsbezirken zu.
Abbildung 1: Übersicht über die Regierungsbezirke und Regionen in Baden-Württemberg


1.1        Baden-Württemberg – eine Einordnung

Baden-Württemberg liegt im Südwesten Deutschlands und umfasst eine Fläche von 35.748 Quadratkilometern. Das Bundesland besteht in seiner heutigen Form seit dem 25. April 1952 und entstand durch den Zusammenschluss der nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Gebiete Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollern. Der Fusion vorausgegangen war eine Volksabstimmung im Jahre 1951. Landeshauptstadt ist seit Gründung des Bundeslandes Stuttgart, dort leben heute rund 611.000 Menschen.

1.2        Demographische Grundlagen

Aktuell leben in Baden-Württemberg rund 11,3 Millionen Menschen. Von wenigen Ausnahmen während der Wirtschaftskrise 2008 abgesehen, steigt die Bevölkerungszahl seit Langem an. In den vergangenen 20 Jahren wuchs die Bevölkerung um gut 700.000 Personen (alle Daten: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2024).

Das Land umfasst sowohl Verdichtungsräume, insbesondere entlang des Oberrheins sowie in der Region Stuttgart mit teilweise hohen Bevölkerungsdichten von über 3.000 Personen je Quadratkilometer (Stadt Stuttgart), als auch eher ländlich geprägte Kreise mit einer Bevölkerungsdichte von rund 100 Personen je Quadratkilometer (Main-Tauber-Kreis). Landesweit liegt die Bevölkerungsdichte bei gut 300 Personen je Quadratkilometer (alle Daten: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2022). Ländliche Räume und Verdichtungsräume unterscheiden sich nicht grundsätzlich hinsichtlich der Entwicklung der Bevölkerungszahl, da das Land durch wachstums- und wirtschaftsstarke ländliche wie städtische Regionen geprägt ist.

Seit 2000 stieg das Durchschnittsalter der Bevölkerung von 40,2 auf 43,8 Jahre (um 2020) an. Hohe Anteile älterer Bevölkerung finden sich unter anderem im Norden des Bundeslandes, im Schwarzwald, auf der Schwäbischen Alb sowie entlang des Bodensees.

1.3        Staatliche Untergliederung

Die Verwaltung Baden-Württembergs ist in fünf Ebenen gegliedert:

  • Gemeinden: Die unterste Ebene der Verwaltungsgliederung bilden 1.101 eigenständige Gemeinden, die zur Stärkung ihrer Verwaltungskraft ihre Verwaltungsaufgaben teilweise gemeinsam in Verwaltungsgemeinschaften mit Nachbargemeinden wahrnehmen. Die kleinste Gemeinde in Baden-Württemberg, Böllen, beheimatet rund 100 Personen, die größte, Stuttgart, rund 611.000.
  • Kreise: Neben 9 Stadtkreisen (Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim, Freiburg, Heidelberg, Heilbronn, Ulm, Pforzheim, Baden-Baden) ist das Land in 35 Landkreise unterteilt.
  • Regionen: Als Träger der Regionalplanung umfassen die 12 Regionalverbände des Landes jeweils zwei bis sechs Land- und Stadtkreise.
  • Regierungsbezirke: Baden-Württemberg ist in vier Regierungsbezirke unterteilt (Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg, Tübingen).
  • Land: Baden-Württemberg

 

Tabelle 1: Grundlagendaten zum Bundesland Baden-Württemberg 2022
Tabelle 1: Grundlagendaten zum Bundesland Baden-Württemberg 2022

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2 Landesplanung

Abbildung 2: Raumstrukturkarte des Landes Baden-Württemberg aus dem LEP 2002 mit den Planungsregionen (kleiner Kasten oben links), den Zentralen Orten (OZ, MZ) als Punktsymbole, den linienförmig dargestellten Landesentwicklungsachsen und den Raumkategorien in roter, gelber und braunen Farben.
Abbildung 2: Die Raumstrukturgliederung des LEP Baden-Württemberg


2.1        Zuständiges Ressort

Die Landesentwicklungsplanung ist seit dem Jahr 2021 in der Abteilung „Landesentwicklung, Regionalplanung und Geoinformation“ des Ministeriums für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg (MLW) angesiedelt. Das Ministerium ist nach § 30 LplG BW oberste Raumordnungs- und Landesplanungsbehörde.

2.2        Rechtliche Grundlagen

Die zentralen rechtlichen Grundlagen der Raumplanung und -entwicklung in Baden-Württemberg umfassen das Landesplanungsgesetz (LplG BW), das Gesetz zur Errichtung des Verbands Region Stuttgart (GVRS) sowie die Staatsverträge Rhein-Neckar und Donau-Iller (s. Abschnitt 4). Der Landesentwicklungsplan von 2002 (LEP BW 2002) wird zudem über die Verordnung der Landesregierung über die Verbindlicherklärung des Landesentwicklungsplans 2002 vom 23.07.2002 (GBl. BW Nr. 9, S. 301) geregelt.

2.3        Formelle Instrumente der Landesplanung

Auf der Landesebene sieht § 6 I LplG BW den Landesentwicklungsplan und fachliche Entwicklungspläne als Mittel der Landesplanung vor.

Der Landesentwicklungsplan (LEP)

Der LEP wird von der obersten Raumordnungs- und Landesplanungsbehörde, dem Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen (MLW), aufgestellt. Vor dem Beteiligungsverfahren erhält der Landtag auf Grundlage des Planentwurfs, seiner Begründung und des Umweltberichts Gelegenheit zur Stellungnahme. Darauf folgt eine umfassende Beteiligung von Verbänden, Gemeinden, öffentlichen Stellen, der Öffentlichkeit, Nachbarländern und den betroffenen Nachbarstaaten. Am Ende des Aufstellungsverfahrens beschließt die Landesregierung den neuen Plan, fertigt ihn aus und erklärt ihn durch Rechtsverordnung für verbindlich. Er tritt nach seiner Verkündung im Gesetzblatt für Baden-Württemberg in Kraft (Art. 63 II LV).
Nach § 11 I NatSchG BW ist von der obersten Naturschutzbehörde (derzeit das Umweltministerium) im Benehmen mit den fachlich berührten Behörden ein Landschaftsprogramm aufzustellen und entsprechend § 9 IV BNatSchG fortzuschreiben. Sein Inhalt soll, soweit erforderlich und geeignet, in den Landesentwicklungsplan aufgenommen werden, sein Verfahren entspricht dem LEP. Baden-Württemberg besitzt derzeit kein aktuelles Landschaftsprogramm.

Der gültige LEP BW stammt aus dem Jahr 2002. Seitdem hat ihn das Land nicht fortgeschrieben. In vielen Bereichen war er bei seiner Aufstellung wegweisend, er atmet noch die Themen und Probleme seiner Aufstellungszeit in den späten 1990er-Jahren. Der letzte Landesentwicklungsbericht datiert aus dem Jahr 2005. Mittlerweile hat das MLW als oberste Raumordnungs- und Landesplanungsbehörde einen breit angelegten Neuaufstellungsprozess eingeleitet und auch das Thema Raumbeobachtung wieder aufgegriffen.

Der LEP 2002 besteht aus den Plansätzen (I), einem Anhang mit fünf Karten (II) und der Begründung der Plansätze (III). 
Die dem LEP beigefügten Karten zeigen die Raumkategorien, die Zentralen Orte und Verflechtungsbereiche, die überregional bedeutsamen naturnahen Landschaftsräume und die Vorkommen oberflächennaher mineralischer Rohstoffe.

Während der Laufzeit des LEP 2002 hat sich in puncto Verbindlichkeit und Durchsetzungsfähigkeit der Raumplanung ein bemerkenswerter Wandel vollzogen. Während zum Beginn des Jahrtausends die Plansätze weitgehend als Innenrecht zwischen den Planungsträgern verstanden wurden (von der Verwaltung für die Verwaltung), hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) BW mit Billigung und Unterstützung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) die planerischen Festlegungen konkretisiert und sie mit hoher juristischer Verbindlichkeit und Außenwirkung versehen. Meilensteine dieser Entwicklung waren:

  • VGH BW, Urteil vom 10.02.2016 – 8 S 1477/15, Alfdorf, zulässiger Normenkontrollantrag eines Grundstückseigentümers gegen die Festlegung eines regionalen Grünzuges.
  • VGH BW, Urteil vom 23.05.2014 – 8 S 808/12, Oberschwäbisches Gewerbe- und Industriegebiet (OGI), PS 3.1.9 Satz 1 des LEP 2002, wonach die Siedlungsentwicklung am Bestand auszurichten ist (Anbindegebot), gilt als ein (Soll-)Ziel der Raumordnung.
  • VGH BW, Urteile vom 17.12.2009 und vom 04.07.2012 – 3 S 2110/08 und 355/11, IKEA Rastatt, die Plansätze 3.3.7 zum großflächigen Einzelhandel sind verbindliche Ziele der Raumordnung und europarechtskonform gefasst.

Ein mögliches formelles Instrument der Landesentwicklung sind fachliche Entwicklungspläne, die Vorgaben für die sektorale Fachplanung (Ziele und Grundsätze) formulieren, ohne dabei selbst zur (sektoralen) Fachplanung zu werden. In der Realität gab es bisher nur einen fachlichen Entwicklungsplan „Kraftwerkstandorte“ vom 06.07.1976, verbindlich erklärt in GBl. S. 545.

2.4        Besondere informelle Instrumente und Formate der Landesentwicklung

Neben formellen Verfahren der Landesplanung setzt die Landesentwicklung auch auf informelle Instrumente. Die folgende Darstellung zeigt entsprechende Projekte exemplarisch für die vergangenen Jahre, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollzähligkeit:

Mit dem vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau (seit 2021: Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus) in Kooperation mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) sowie dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) zwischen 2014 und 2020 durchgeführten Wettbewerb „Regionale Wettbewerbsfähigkeit durch Innovation und Nachhaltigkeit – RegioWIN“ und dem aktuell bis 2027 laufenden Nachfolgeprojekt „RegioWIN 2030“ soll die Wettbewerbsfähigkeit in den Regionen Baden-Württembergs durch Innovation und Nachhaltigkeit verbessert werden. Dabei erlaubt das Konzept, funktionale Räume zu betrachten, die sich nicht notwendigerweise an bestehenden administrativen Grenzen orientieren müssen. In der ersten Projektphase bis 2020 wurden Projekte in elf sogenannten WIN-Regionen ausgewählt. Durch den Wettbewerb wurden wegweisende Regionalentwicklungsprojekte gefördert und RegioWIN als Marke eingeführt (vgl. Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg 2018). Im Rahmen von RegioWIN 2030 wurden 2021 insgesamt 24 Leuchtturmprojekte prämiert, für die Anträge auf Förderung aus dem EFRE gestellt werden können (Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg 2020).

Mit dem Förderprogramm „Flächen gewinnen durch Innenentwicklung“ werden Städte, Gemeinden, Gemeindeverwaltungsverbände, Landkreise, Zweckverbände und die Träger der Regionalplanung in Baden-Württemberg bei nichtinvestiven Maßnahmen der Innenentwicklung unterstützt. Mögliche Fördergegenstände sind unter anderem innovative Konzepte und städtebauliche Entwürfe, Projekte zur Information und Bürgerbeteiligung sowie der Einsatz kommunaler Flächenmanager. Ziel des Programms ist es, bestehende Leerstände und innerörtliche Flächen, wie Baulücken und Brachflächen, sowie Aufstockungs- und Nachverdichtungspotenziale zu aktivieren. So sollen Impulse gesetzt werden, um die Bestandsstruktur zu verbessern und die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum zu stärken. Gleichzeitig leisten die Maßnahmen einen wichtigen Beitrag, das Flächensparziel der Landesregierung zu erreichen.

Im Rahmen der „Regionalen Planungsoffensive zum Ausbau von Windkraft und Photovoltaik“ (MLW 2022) machen sich das Ministerium für Landesentwicklung und die Regionalverbände gemeinsam auf den Weg, die notwendigen Flächen für eine bessere Versorgung mit erneuerbaren Energien zu sichern. Das Projekt soll letztendlich dazu führen, dass das Landesziel, zwei Prozent der Landesfläche für erneuerbare Energien zu nutzen, umgesetzt und bis 2025 in den Regionalplänen mit entsprechenden Flächenausweisungen verankert werden kann (s. Abschnitt 3.2). Als informelle Planungskomponente finden in diesem Zusammenhang zusammen mit der Stabsstelle für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung im Baden-Württembergischen Staatsministerium konzipierte Bürgerbeteiligungen statt (MLW 2022).

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3    Regionalplanung

3.1        Organisationsform und Institutionen 

Träger der Regionalplanung sind zwölf Regionalverbände. Zehn davon arbeiten auf der Grundlage des Landesplanungsgesetzes, die beiden länderübergreifenden Verbände aufgrund von Staatsverträgen. Ihr Aufgabenspektrum ist im Wesentlichen auf die Regionalplanung und ihre Umsetzung beschränkt. Zwei Regionen besitzen deutlich darüber hinaus gehende Zuständigkeiten: der Verband Region Stuttgart (VRS) aufgrund eines eigenen Gesetzes (Gesetz zur Errichtung des Verbands Region Stuttgart) und der Verband Region Rhein-Neckar (VRRN) aufgrund eines Staatsvertrages (Staatsvertrag Rhein-Neckar 2005). Die Regionsgrenzen entsprechen den Grenzen der regionszugehörigen Stadt- und Landkreise.

Die Regionalverbände betreiben staatliche Raumordnung und Landesplanung, sind jedoch eigenständige Körperschaften des öffentlichen Rechts. Sie agieren als Selbstverwaltungskörperschaften, deren Selbstverwaltungsrecht allerdings schwach ausfällt, da ihre wichtigste Aufgabe, die Regionalplanung, eine Landesaufgabe bleibt und deshalb ein, wenn auch eingeschränktes, fachliches Weisungsrecht des Landes besteht (§ 44 II LplG BW). Ihren Finanzbedarf decken die Regionen in erster Linie durch eine Umlage bei den Stadt- und Landkreisen (größer 80 %), weiter durch einen Landeszuschuss (etwa 10 %) und zuletzt durch Gebühren und Fördermittel.

Organe des Regionalverbandes sind die Verbandsversammlung und der Verbandsvorsitzende (weitere Organe besitzen der VRS, der VRRN und die Region Donau-Iller). Die Verbandsversammlung ist das Hauptorgan des Verbandes. Sie geht mittelbar aus den Kommunalwahlen hervor. Einzig der VRS besitzt eine direkt gewählte Regionalversammlung. Für die Alltagsarbeit bildet die Verbandsversammlung Ausschüsse, unter denen der Planungsausschuss die wichtigste Aufgabe (Regionalplanung) erledigt. Als zweites Organ amtiert der Verbandsvorsitzende. Er geht durch eine Wahl aus der Mitte der Verbandsversammlung hervor, ist ehrenamtlich tätig, sitzt dem Plenum und allen Ausschüssen vor, vertritt den Verband nach außen und leitet die Verbandsverwaltung. Sein ständiger Vertreter und für das operative Geschäft verantwortlich ist der Verbandsdirektor. Ihn wählt die Verbandsversammlung als Beamten auf Zeit für acht Jahre (Wiederwahl möglich).

Zwischen der kommunalen Verfassung der Region und ihrer primär staatlichen Aufgabe besteht ein produktives Spannungsverhältnis. Einerseits transportieren die Verbände die raumplanerischen Vorgaben des Landes in den Kreis der Kommunen. Andererseits vermitteln sie die Reaktionen der gemeindlichen Basis an die übergeordneten Planungsbehörden. Den Regionen ist es peu à peu gelungen, sich in der kommunalen Familie zu verankern. Diese Entwicklung hat die Akzeptanz der Verbände vergrößert und sie über ihre politische Spitze zu einer wichtigen Stimme der Regionen gegenüber dem Land gemacht. Gleichzeitig konnten die Regionalverbände, bei einem breiten Konsens zwischen den regionalen Entscheidungsträgern, regionalpolitische Themen bespielen und gegenüber Bund und Land vorantreiben. Beispiele: grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Regionalentwicklung, Teilnahme an Wettbewerben und Förderprogrammen, Interessenvertretung bei Verkehrsgroßprojekten, Freiraumschutz und die Verfolgung von Klimabelangen.

Ein deutlich über die anderen Regionalverbände hinausgehendes Aufgabenportfolio besitzt der Verband Region Stuttgart (VRS) aufgrund des GVRS (Wirtschaftsförderung, regionalbedeutsamer SPNV/ÖPNV, Landschaftspark und vieles mehr). Aufgrund der Fülle der Zuständigkeiten sind die Verbandsverwaltung und das Finanzvolumen um ein Vielfaches größer als bei den anderen Verbänden (Faktor 10 bzw. 100). Mit seinen S-Bahnen begegnet der VRS seiner Bevölkerung jeden Morgen, er ist deshalb im Bewusstsein der Menschen verankert. Die Direktwahl der Regionalversammlung sorgt für eine starke demokratische Legitimation und gleichzeitig für Aufmerksamkeit in der öffentlichen Wahrnehmung.

Aufgrund Artikel 3 des Staatsvertrages Rhein-Neckar besitzt auch der Verband Region-Rhein-Neckar (VRNN) ein breiteres Aufgabenportfolio (Staatsvertrag Rhein-Neckar 2005). Dazu gehören die Wirtschaftsförderung, ein Landschaftspark oder das Verkehrsmanagement. Bemerkenswert sind darüber hinaus die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft unter dem Dach der Metropolregion Rhein-Neckar und ein ausgeprägtes Regionalbewusstsein der Bevölkerung. Eine Besonderheit der Raumplanung ist der Einheitliche Regionalplan Rhein-Neckar. Seine Festlegungen gelten für das Regionsgebiet in den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz unmittelbar. Im hessischen Regionsteil sind sie Vorschläge, die bei der staatlichen Regionalplanung berücksichtigt werden.

3.2 Formelle Instrumente der Regionalplanung

Alle zwölf Regionen in BW besitzen aktuelle Regionalpläne. Sie konkretisieren die Grundsätze der Bundesraumordnung (§ 2 II ROG), die Leitvorstellungen des § 2 LplG BW, des LEP und der fachlichen Entwicklungspläne und sind in vier Kapitel gegliedert (VwV Regionalpläne Anlage 1): Räumliches Leitbild, Siedlungsstruktur, Freiraumstruktur, Infrastruktur. Die Inhalte des Plans (Planelemente) bestimmt § 11 III-VII LplG BW abschließend (Prinzip der Einzelermächtigung). Entscheidend ist der Katalog in § 11 Absatz 3 Satz 2 LplG BW mit zwölf Einzelelementen (z. B. Schwerpunkte für Industrie, Rohstoffabbau und -sicherung, Grünzüge und Grünzäsuren oder Gebiete für Standorte zur Nutzung erneuerbarer Energien). Als Planinstrumente stehen die Gebietskategorien des § 11 Absatz 7 LplG BW zur Verfügung (Vorrang, Vorbehalt, Ausschluss). Einzelheiten zur Plangestaltung regelt die VwV Regionalpläne vom 01.06.2017 (GABl. S. 294).

Das Aufstellungsverfahren ist breit angelegt und es kommt regelmäßig zu mehreren Beteiligungsrunden. Die Verbandsversammlung beschließt den Plan als Satzung (Rechtsnorm) und legt ihn der obersten Raumordnungs- und Landesplanungsbehörde zur Genehmigung vor. Hier wird nochmals der Dualismus zwischen der staatlichen Grundausrichtung (Landesplanung) und der kommunalen Verfassung der Regionalplanung (Selbstverwaltung) deutlich. Der Regionalverband macht die Genehmigung bekannt. Die Ziele und Grundsätze des Regionalplans werden dadurch verbindlich.

Räumliche und sachliche Teilpläne sind zulässig und in der Praxis häufig anzutreffen. Sie entlasten den komplexen Gesamtplanungsprozess und ermöglichen schnelle Reaktionen auf neu auftauchende raumrelevante Fragen. Beispiele sind die Rohstoffsicherung, die Siedlungsentwicklung und in jüngerer Zeit der Klimaschutz. Seit 2022 unternehmen die Verbände in Zusammenarbeit mit dem Land einen neuen Anlauf für die Windkraft und die Solarenergie, jetzt im Rahmen der Flächenbeitragswerte des WindBG und des KlimaG BW. Hierzu sollen die Regionalverbände bis September 2025 (Teil-)Fortschreibungen der Regionalpläne erstellen, in denen 1,8 Prozent der jeweiligen Regionsflächen für die Windkraft und mindestens weitere 0,2 Prozent für regionalbedeutsame Freiflächen-Photovoltaikanlagen gesichert werden.

Die Regionalverbände wirken auf die Umsetzung der Regionalpläne über regionale Entwicklungskonzepte und kooperative Zusammenarbeit mit anderen Institutionen hin. Zur Vorbereitung und Verwirklichung ihrer Pläne dürfen die Verbände vertragliche Vereinbarungen schließen, zielbezogene Planungsgebote aussprechen und die höhere Raumordnungsbehörde (Regierungspräsidium) kann raumordnungswidrige Planungen und Maßnahmen untersagen. Gegen mit Zielen der Raumordnung unvereinbare Verwaltungsakte besteht für die Regionalverbände eine Klagebefugnis, unabhängig von einer eigenen Rechtsbetroffenheit. Diese Befugnis ist auf Verwaltungsakte mit Einzelhandelsbezug beschränkt. Nur der VRS darf gegen alle zielwidrigen Verwaltungsakte gerichtlich vorgehen. In der Praxis sind solche Klagen eher selten. Allein die Befugnis stärkt bereits die Rolle der Verbände im Dialog mit den Gemeinden und den Investoren.

3.3        Besondere informelle Instrumente und Formate der Regionalentwicklung

Aufgrund ihrer kommunalen Verankerung konnten die Regionalverbände die informelle Regionalentwicklung mitgestalten. Dabei hat jede Region ihren eigenen Weg gefunden. Auf der Agenda standen Verkehrsprojekte, der ÖPNV, die Wirtschaftsförderung, das Regionalmarketing, der Wettbewerb um Investoren und Investitionen, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Gewerbeflächenpools, der Freiraumschutz, Klimathemen oder die Naturparke. Begrenzend hat sich ausgewirkt, dass das LplG BW nur einfache Mitgliedschaften in Körperschaften, Gesellschaften etc. erlaubt, aber nicht die Gründung oder eine Mehrheitsbeteiligung. Andererseits konnten die Regionen Stuttgart und Rhein-Neckar aufgrund gesetzlicher Regelungen eigene Kompetenzen für operative Aufgaben erlangen (GVRS, Staatsvertrag Rhein-Neckar).
Ein weiteres Betätigungsfeld entstand durch die Teilnahme an Wettbewerben um Fördergelder. Dazu gehören der RegioWin-Wettbewerb des Landes BW (s. Abschnitt 2.4) oder die Administration der Mittel des regionalen Strukturfonds der EU (EFRE), z. B. am Oberrhein.

Die von dem europäischen Raumordnungsdiskurs und der Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO) ausgehenden Impulse (Metropolregionen, funktionale Räume) haben das Gefühl für die Zusammengehörigkeit der Regionen gestärkt, die Zusammenarbeit in informellen Strukturen inspiriert und intensiviert. Im Rhein-Neckar-Raum mündete die Entwicklung in die Neuformierung der Region mit der Gründung der Metropolregion Rhein-Neckar im Jahr 2006. Am Bodensee und am Hochrhein bündeln internationale Kooperationsformate die regionalpolitische Zusammenarbeit (s. Abschnitt 4.1).

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4    Grenzüberschreitende Raumplanung

4.1        Staatenübergreifende Raumplanung und Raumentwicklung

Sehr intensiv und sehr vielschichtig zeigt sich die staatenübergreifende Zusammenarbeit entlang des Oberrheins. Die „Oberrheinkonferenz“ verbindet die regionalen Regierungs- und Verwaltungsbehörden. Der deutsch-französisch-schweizerische Zusammenschluss besitzt ein gemeinsames Sekretariat, zwölf Arbeitsgruppen, 35 Expertenausschüsse und ist über die Regierungskommission mit den drei nationalen Regierungen verbunden. In der Trinationalen Metropolregion arbeiten Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in zahlreichen Projekten miteinander. Der Oberrheinrat fasst die (politisch) Gewählten in verschiedenen Ausschüssen zusammen und versteht sich als das „Trinationale Parlament“ am Oberrhein. Vier Eurodistrikte bilden die oberzentralen Verflechtungsräume entlang des Rheins ab (Trinationaler Eurodistrikt Basel, Freiburg-Centre et Sud Alsace, Straßburg-Ortenau, PAMINA).

Rund um den Bodensee koordiniert die Internationale Bodenseekonferenz (IBK) seit 1972 die grenzregionale Zusammenarbeit. Mitglieder sind Länder und Kantone aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie das Fürstentum Liechtenstein. Grundlagen der gemeinsamen Arbeit sind das Leitbild für die Bodenseeregion und eine IBK-Strategie. Zur Umsetzung der strategischen Vorgaben verfolgt die IBK zahlreiche Raumentwicklungsprojekte.

4.2        Länderübergreifende Raumordnung und Raumentwicklung

Aufgrund der intensiven wirtschaftlichen und soziokulturellen Verflechtungen entstanden zwei länderübergreifende Regionalverbände mit einer gemeinsamen Regionalplanung: der Verband Region Rhein-Neckar (VRRN) und der Regionalverband Donau-Iller. Sie planen auf der Basis von Staatsverträgen zwischen den Ländern Baden-Württemberg und Bayern bzw. Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen:

  • Staatsvertrag zwischen dem Land Baden-Württemberg und dem Freistaat Bayern über die Zusammenarbeit bei der Landesentwicklung und über die Regionalplanung in der Region Donau-Iller vom 31.03.1973 (GBl. S. 129) mit weiteren Änderungen, zuletzt durch Gesetze vom 15.03 2011 (GBl. S. 98) (Staatvertrag BW-Bayern).
  • Staatsvertrag zwischen den Ländern Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz über die Zusammenarbeit bei der Raumordnung und Weiterentwicklung im Rhein-Neckar-Gebiet vom 26.07.2005 (GBl. S. 710) (Staatsvertrag Rhein-Neckar 2005).

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5    Länderspezifische Besonderheiten der Bauleitplanung

5.1        Besonderheiten in der Aufstellung von Bauleitplänen

Aufgrund § 203 III BauGB, § 1 BauGB-DVO BW erledigen die Landratsämter als untere Verwaltungsbehörden für das Gebiet von Gemeinden, die ihrer Rechtsaufsicht unterliegen, bei einigen Aufgaben die Zuständigkeit der höheren Verwaltungsbehörde nach dem Baugesetzbuch (BauGB). Dazu gehören die Genehmigung von Flächennutzungsplänen (§ 6 BauGB) und Bebauungsplänen (§ 10 BauGB, soweit erforderlich) oder Aufgaben nach § 204 I Satz 5, III Satz 3 BauGB bei Verschiebungen in der Zuständigkeit der Planungsträger.

5.2        Sonderregelungen auf der Basis von §§ 204/205 BauGB

Im Zuge der großen Gebietsreform in den 1970er-Jahren hat der Landesgesetzgeber die Trägerschaft der vorbereitenden Bauleitplanung in bestimmten Räumen auf Nachbarschaftsverbände und Verwaltungsgemeinschaften übertragen (Rechtsgrundlage §§ 203 II, 205 VI BauGB). Zur Steuerung der Stadt-Umland-Problematik wurden durch § 1 I Nachbarschaftsverbandsgesetz Nachbarschaftsverbände geschaffen (Heidelberg-Mannheim, Karlsruhe, Pforzheim, Reutlingen-Tübingen und Ulm). Der Nachbarschaftsverband Stuttgart wurde 1994 durch das GVRS wieder aufgelöst und der VRS geschaffen. Die Nachbarschaftsverbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und Träger der vorbereitenden Bauleitplanung. Zur Stärkung der Verwaltungskraft kleinerer Kommunen hat die Gebietsreform zahlreiche Gemeinden in Verwaltungsgemeinschaften zusammengeführt (Pflichtverbände). Die Verwaltungsgemeinschaften erfüllen in eigener Zuständigkeit anstelle ihrer Mitglieder die vorbereitende Bauleitplanung (z. B. Verwaltungsgemeinschaft Rastatt). Die beteiligten Gemeinden können nur unter strengen Voraussetzungen die Gemeinschaft auflösen oder verlassen (dazu § 62 GemO BW).

5.3        Besondere informelle Planungsinstrumente

Das Thema Bürgerbeteiligung spielt in Baden-Württemberg traditionell eine große Rolle. Spätestens mit den Erfahrungen aus den Planungsprozessen rund um den Stuttgarter Bahnknoten Stuttgart 21 wuchs die Erkenntnis, dass eine frühzeitige und außerhalb förmlicher Verfahren stattfindende Bürgerbeteiligung wichtig ist, um die öffentliche Meinungsbildung zu unterstützen. Anders als klassische Bürgerbeteiligungen wird in der dialogischen Bürgerbeteiligung auf sogenannte Zufallsbürger zurückgegriffen, die die Vielfalt der Gesellschaft abbilden und den Themen der Beteiligungsprozesse emotional fernstehen.

Die dialogische Bürgerbeteiligung

Mit der Berufung einer Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung im Jahr 2011 hat Baden-Württemberg das Thema Bürgerbeteiligung auch auf der Landesebene gestärkt. Seit 2013 können Bürgerinnen und Bürger auf dem Beteiligungsportal des Landes online an Gesetzgebungsvorhaben mitwirken (Erler 2013). Seit 2021 regelt das Gesetz über die dialogische Bürgerbeteiligung (Dialogische-Bürgerbeteiligungs-Gesetz - DBG) den Ablauf von dialogischen Beteiligungsverfahren und schafft eine Rechtsgrundlage für die Auswahl von „Zufallsbürgern“ aus den kommunalen Melderegistern. Seitdem werden zu wichtigen Gesetzesvorhaben der Landesregierung, vor allem aber zu zahlreichen Planungs- und Umsetzungsprojekten dialogische Beteiligungsformen durchgeführt. Entsprechende Projekte reichen von der Landes- bis auf die kommunale Ebene. Über die gesetzlichen Regelungen hinausgehende, frühzeitige Beteiligungen fanden beispielsweise im Rahmen der Planungsoffensive zur erneuerbaren Energie oder im Rahmen der Planung von Infrastrukturmaßnahmen, wie der Regional-Stadtbahn Neckar-Alb, statt. Die Erfahrungen mit dialogischen Beteiligungsprozessen in Baden-Württemberg sind überwiegend positiv (Brettschneider 2022; Eith/Meier 2021) 

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6    Praxisbeispiel

Die Metropolregion Rhein-Neckar

In der Rhein-Neckar-Region kann die raumbezogene Zusammenarbeit auf eine lange Tradition zurückschauen. Sie verteilt sich heute auf ein Dreigestirn: den Verband Region Rhein-Neckar (Regionalplanung), den Verein Zukunft Metropolregion Rhein-Neckar (zivilgesellschaftliches Netzwerk) und die Metropolregion Rhein-Neckar GmbH (operative Regionalentwicklung). Zusammen bilden die Institutionen ein deutschlandweit einzigartiges Public-Private-Partnership-Modell.

Die GmbH wurde im Zuge der Kampagne zur Anerkennung als Metropolregion durch die bundesdeutsche Raumordnung (MKRO) im Jahr 2006 vom Regionalverband, dem Zukunftsverein und den Industrie- und Handelskammern gegründet. Sie ging aus der Regionalmarketing-Gesellschaft hervor und hat ihren Sitz in Mannheim. Sie finanziert sich über Beiträge der Gesellschafter, Unternehmenssponsoren und projektbezogene Fördermittel. Zwei Geschäftsführer leiten die Geschäftsstelle mit rund 60 Beschäftigten. Ein Geschäftsführer kommt aus der Wirtschaft, der andere ist kraft Amtes der Verbandsdirektor des Regionalverbands.

Ziel der GmbH ist es, die Region in einer engen Kooperation mit den regionalen Akteuren wirtschaftlich, sozial und ökologisch voranzubringen, sie positiv zu positionieren und in ganz Deutschland bekanntzumachen. Dazu gründet sie Allianzen, unterstützt Netzwerke und Initiativen und bietet eine Plattform für an ihrem Anliegen interessierte Personen. „Die GmbH“ ist eng verzahnt mit den Unternehmen, Institutionen, Verbänden und Vereinen vor Ort, die auch, für eine bestimmte Zeit, Personal in die Geschäftsstelle entsenden. Die Gesellschaft engagiert sich in einem breiten Themenspektrum und gewinnt mit ihren Projekten immer wieder die Aufmerksamkeit der regionalen, nationalen und der grenzüberschreitenden Öffentlichkeit. Ihre Aktivitäten erreichen eine enorme Breite und Tiefe, zwischen Bildung, Digitalisierung, Fachkräftegewinnung, Tourismus, Kultur oder Verwaltungsvereinfachung. Keiner anderen Region in Baden-Württemberg ist es in den letzten Jahren besser gelungen, ein Regionalbewusstsein zu etablieren, ein Wir-Gefühl so dauerhaft in der Bevölkerung zu verankern. Viele Menschen verstehen sich als Bewohner und zugleich als Akteure und Multiplikatoren der Metropolregion. Historisch und geographisch kann der Raum an die Kurpfalz anknüpfen mit einer gewachsenen Kultur, Geschichte und einem markanten Dialekt, dem Kurpfälzischen.

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Literatur

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Bildquellen

  • Abbildung 1: Übersicht über die Regierungsbezirke und Regionen in Baden-Württemberg, MLW 2023a
  • Abbildung 2: Die Raumstrukturgliederung des LEP Baden-Württemberg, MLW 2023b
  • Tabelle 1: Grundlagendaten zum Bundesland Baden-Württemberg 2022 bzw. 2023, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg und Statistisches Bundesamt

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Autoren 

Gerd Hager, Prof. Dr. iur., Karlsruher Institut für Technologie (KIT) 

Ansgar Schmitz-Veltin, Dr., Ministerialrat, Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg

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Zusammenfassung

Das Länderprofil für Baden-Württemberg ist eine systematisierte, grundlagenorientierte Beschreibung zur dortigen Raumordnung und Raumentwicklung. Es beginnt mit einer geographischen und administrativen Einordnung. Anschließend werden die Organisationsform und die formellen und informellen Instrumente der Landesplanung sowie der Regionalplanung und besondere Formate der Landes- und Regionalentwicklung dargestellt. Ebenso werden grenzüberschreitende Aspekte sowie länderspezifische Besonderheiten der Bauleitplanung beschrieben.

Creative Commons Lizenzvertrag 
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Zitierhinweis

Hager, G.; Schmitz-Veltin, A. (2024): Länderprofil Baden-Württemberg. Hannover. = Länderprofile der ARL – Raumentwicklung der deutschen Länder. https://www.doi.org/10.60683/kqtr-ns73 (date of access).
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