ARL-Kongress 2023 – Zukunftsfähig mobil!
22. / 23. Juni im Leipziger Kubus – UFZ
Wie lässt sich eine sozial gerechte und ökologisch verantwortliche Mobilität planen?
HINTERGRUND UND THEMA
Die Möglichkeit zur Teilnahme an außerhäuslichen Aktivitäten (= Teilhabe) ist von größter Bedeutung für die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Funktionsfähigkeit von Gesellschaften, wie sich nicht zuletzt in den Lockdowns der Corona-Krise gezeigt hat. Virtuelle Aktivitäten in Beruf, Bildung, Konsum, Freizeit, Familie und anderen Sektoren können physische Kopräsenz allenfalls teilweise ersetzen. Soziale Teilhabe ist deshalb mit Mobilität und zeitlich-räumlichen Erreichbarkeiten verbunden. Umgekehrt können Einschränkungen der Erreichbarkeit und Mobilität zu sozialer Ausgrenzung und eingeschränkter Lebensqualität führen. Dies betrifft in besonderem Maße verschiedene sozial und/oder räumlich definierte Gruppen mit eingeschränkter Mobilität und Erreichbarkeit, wie bspw. Haushalte ohne Pkw, ältere oder körperlich beeinträchtigte Menschen, Haushalte mit geringem Einkommen, die Bevölkerung ländlicher Räume usw.
Untersuchungen entsprechender Zusammenhänge sind seit rund zwei Jahrzehnten in der Verkehrs- und Raumforschung zu einem breiten Forschungsfeld angewachsen, das eng mit den Prinzipien der Gleichheit und Gerechtigkeit im Zugang zu Aktivitäten verbunden ist. Diese Problematik ist auch im Rahmen der notwendigen Verkehrswende relevant, die neben ökologischen auch soziale Aspekte berücksichtigen muss.
In der Planungspraxis wird die Sicherung der räumlichen Dimensionen sozialer Teilhabe seit langem über verschiedene räumliche Leitbilder, Grundsätze und Instrumente verfolgt (Sicherung der Daseinsvorsorge, gleichwertige Lebensverhältnisse, Zentrale-Orte-Prinzip, ABC-Planung (Niederlande), Gender Planning, Accessibility Planning (UK), partizipative Ansätze etc.).
Der ARL-Kongress 2023 rückt eine multiperspektivische Sicht auf die Verknüpfungen von Mobilität und Erreichbarkeit mit vielfältigen Dimensionen sozialer Teilhabe in den Mittelpunkt des fachlichen Austauschs zwischen Wissenschaft und Praxis. Auch internationale Perspektiven und Erfahrungen, etwa aus anderen europäischen Ländern, werden beleuchtet.
LEITFRAGEN
Das Mobilitätsverhalten hat weitreichende Auswirkungen auf Räume und deren gesellschaftliche und wirtschaftliche Funktionen und Nutzungen. Für fachliche Inputs zu den Sessions des ARL-Kongresses 2023 ist der Referenzrahmen eine sozial gerechte, ökologisch verantwortliche und räumlich differenzierte nachhaltige Entwicklung. Dieses Themenfeld bietet vielfältige Möglichkeiten für vertiefende Diskussionen. Die folgenden Fragestellungen verstehen wir daher als Anregung:
- Welchen Mehrwert bietet die raumwissenschaftliche Betrachtung von Mobilität, Erreichbarkeit und sozialer Teilhabe?
- Wie können Planungs- und Partizipationsprozesse gerecht und sozial inklusiv gestaltet werden, und welche Rolle spielt das für eine sozial-ökologische Verkehrswende?
- Wie können Mobilität und Erreichbarkeit für benachteiligte Bevölkerungsgruppen und Räume durch raum- und/oder verkehrspolitische Konzepte gezielt verbessert werden?
- Wie hängen objektive und subjektive Erreichbarkeiten zusammen, und was heißt das für Teilhabe?
- Welche Rolle spielen Verkehrskosten für die Teilhabe? Wie stellt sich dies für verschiedene Verkehrsmittel dar?
- Welche Rolle spielt die zunehmende Digitalisierung von Mobilitätsangeboten, wie Mobilitäts-Apps und Onlineplattformen, im Zusammenhang sozial gerechter Teilhabe?
- Welche Perspektiven bringt die genderbezogene Mobilitätsforschung hinsichtlich einer sozial-ökologischen Transformation ein?
- Wie haben sich Mobilität, Erreichbarkeit und Teilhabe in Zeiten von Corona und zunehmender Digitalisierung von Arbeits- und Lebensbereichen verändert? Haben sich soziale Ungleichheiten in der Mobilität und Erreichbarkeit durch die Pandemie verschärft?
- Welche Rolle spielen verschiedene Verkehrsmittel für Teilhabe? Welche Rolle kommt in diesem Zusammenhang der Pandemie zu und welche Auswirkungen hat dies auf Fragen der Verkehrswende?
- Welche Effekte haben neue Arbeits-, Wohn-, Haushalts- und Lebensformen auf Mobilität? Wie stellen sich soziale und räumliche Ungleichheiten in der Nutzbarkeit virtueller Möglichkeiten der Erreichbarkeit dar (Home-Office, Home-Schooling)?
KONGRESSPROGRAMM
Das Programm des ARL-Kongresses 2023 umfasst drei Keynotes aus Wissenschaft und Praxis. Wir freuen uns sehr am ersten Kongresstag Joachim Scheiner (TU Dortmund) und Gisela Stete (StetePlanung, Darmstadt) und am Freitag Anne Klein-Hitpaß (DIFU, Berlin) begrüßen zu dürfen.
In den parallel stattfindenden sechs Fachsessions werden wir Fragen zu den nachfolgenden Themenfeldern vertiefend betrachten und diskutieren:
• Donnerstag 22. Juni 2023
- Keynote 1: Zwischen Erreichbarkeitsexplosion und Mobilitätsarmut – Gedanken zu Mobilität, Erreichbarkeit und Teilhabe
Joachim Scheiner (TU Dortmund) - Keynote 2: Gestaltung des Verkehrssystems aus Genderperspektive – Ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit und Teilhabe
Gisela Stete (StetePlanung, Darmstadt) - Keynote 3: Von alleine geht es nicht! Was für eine sozial-ökologische Mobilitätswende in unseren Städten zu tun ist
Anne Klein-Hitpaß (DIFU, Berlin)
1. Ko-kreativ, ko-operativ oder ko-produktiv? – Wie gelingt die sozial-ökologische Mobilitätswende?
- Zivilgesellschaftliche Konflikte als Treiber einer sozial-ökologischen Mobilitätswende in ländlichen Räumen?
Anna Loffing und Meike Levin-Keitel (TU Dortmund) - Gemeinsam unterwegs in die Zukunft
Andrzej Sielicki (Regionalverband Ostwürttemberg, Schwäbisch Gmünd)
Video - Auf der Suche nach den „leisen Stimmen“ der Mobilitätswende:
Methodische und normative Implikationen transformativer Forschung in marginalisierten Quartieren
Alexander Wentland, Johanna Hopp (TU München) und Jessica Le Bris (Green City Experience GmbH, München) - Gemeinsam den Wandel gestalten! Ko-Kreation auf dem Weg zur Mobilitätswende im Wrangelkiez
Johannes Roderer und Till Uppenkamp (TU Berlin)
2. Planungsinstrumente und Werkzeuge für die Verkehrswende
- Wie lässt sich eine gerechte Verkehrswende vor Ort planen? – Vorstellung eines Bewertungswerkzeugs
für die Praxis
Laura Mark (Universität Düsseldorf), Annika Busch-Geertsema (Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, Wiesbaden), Jessica Le Bris (Green City Experience GmbH, München), Gesa Matthes (HafenCity Hamburg GmbH) und Kerstin Stark (Changing Cities e. V., Berlin) - Ist Mobilität planbar? Chancen und Herausforderungen für die Planungspraxis
Alexander Rammert (TU Berlin) - Nachhaltig mobil – überall? Die kleinräumige Verteilung des Potenzials für nachhaltige Mobilität – Praxistauglichkeit eines neuen Index am Beispiel eines Münchner Quartiers
Benjamin Heldt, Rebekka Oostendorp, Serra Yosmaoglu (DLR, Berlin) und Emil Pabst (Veomo Mobility GmbH, München) - Neuverhandlung des öffentlichen urbanen Raums in verkehrsreduzierten Innenstädten
Thomas Schönberger (BBSR, Bonn)
3. Mobilität und Teilhabe – eine Frage von Gender und Intersektionalität
- Auswirkungen von Mehrfachdiskriminierung auf Mobilitätsoptionen – Entwicklung und Anwendung eines intersektionalen Analysekonzepts am Beispiel der Stadt Ronnenberg (Region Hannover)
Alena Fischer und Franziska Henkel (Universität Kassel) - Gendergerecht mobil? Intersektionale Perspektiven auf die Teilhabe an sozial-ökologischer Mobilität
Andrea Amir-Henkel (IZES, Saarbrücken) und Katharina Kapitza (ARL, Hannover) - Blinde Flecken in Mobilitätsdaten
Alexander Haertel (Hessen Trade & Invest GmbH, Wiesbaden) - Die Mobilitätswende braucht eine geschlechtersensible Verkehrsplanung – Möglichkeitsräume für eine klimafreundliche Nahverkehrsnutzung öffnen
Brigitte Wotha (FH Kiel)
Zum Abschluss des ersten Kongresstages stellt der FRU - Förderkreis für Raum- und Umweltforschung e. V. aktuelle FRU-Aktivitäten vor und vergibt den FRU-Förderpreisvergabe 2022. Danach findet der alljährliche Abendempfang statt.
• Freitag 23. Juni 2023
4. Mit Beteiligung die sozial-ökologische Mobilitätswende gestalten
- „Wir schließen Straßen, um sie zu öffnen!“: Erprobung von Ko-Produktion und Reorganisation des Straßenraums im Sinne einer nachhaltigen und resilienten Stadtentwicklung im Pilotprojekt „Neue Nähen – Leipziger SUPERBLOCKS“
Anika Schmidt und Annegret Haase (UFZ, Leipzig) - Realexperimente für die urbane Mobilitätswende: Exklusiv oder Inklusiv?
Katharina Lange, Christian Berkes und Antje Michel (FH Potsdam) - (Nicht)radfahrer*innen und soziale Teilhabe: Eine mobilitätskulturelle Analyse
Monika Popp und Henrike Rau (Universität München)
5. Mobilitätskosten und Erreichbarkeiten als Teilhabebarriere
- Soziale Teilhabe durch ein überörtliches, differenziertes und integriertes ÖPNV-Angebot
Axel Stein (KCW, Berlin) - Tarif-Erreichbarkeit: Können wir soziale Teilhabe am ÖPNV-Tarif messen?
Christoph Aberle (TU Hamburg-Harburg) - Wie kann Mobilitätsgerechtigkeit gelingen? Das Fallbeispiel 9-Euro-Ticket
Claudia Hille und Matthias Gather (FH Erfurt)
6. Social and ecological perspectives for mobility and cities: Examples from abroad
- How can socially just and ecologically responsible mobility be measured? A case from Poland
Michal Czepkiewicz (University in Poznan and University of Iceland), Filip Schmidt (University in Poznan) und Dawid Krysinski (University in Poznan and University of Wroclaw) - Climate-neutral Cities Mission: Public-Public Partnerships as an Approach to Success
Marcus Beringer (AustriaTech, Wien) - Gender Equity, Mobility and Climate Action: Assessing mobility responses for Climate Action in UK local authorities through a gender lens
Jeffrey Turner (University Leeds)
Außerdem begleitet eine Posterpräsentation den gesamten ARL-Kongress 2023. Hier werden aktuelle Projekte vor- und zur Diskussion gestellt.
- Aktiv & selbständig unterwegs als Jugendliche – eine Frage des Geschlechts?
Annika Heinzelmann (Hochschule RheinMain, Wiesbaden) - Soziale Folgen einer digitalen Mobilitätswende – Perspektiven von Jugendlichen in Hannover
Tomke van Hove (Universität Hannover) - Soziale Mobilitätswende im Kontext einer digitalen Gesellschaft – die Perspektive von Lehrkräften und Multiplikator*innen in Hannover
Jonas Koch (Universität Hannover) - Gesundheitsfördernde Lebenswelten für alle: Die unterschiedlichen Voraussetzungen für aktive Fortbewegung in Berlin
Eva Bretsch (RIFS, Potsdam) - Von der Automobilität zum Umweltverbund im suburbanen Raum
Ralph Richter (IRS, Erkner)
Das offizielle Kongressprogramm endet mit der Podiumsdiskussion zu Impulsen und Interventionen für eine zukunftsfähige Mobilität – Fazit und Ausblicke. Im Anschluss an den Mittagsimbiss laden wir zudem alle Interessierten noch zu einem Stadtspaziergang durch den Leipziger Osten ein.
Der ARL-Kongress 2023 im Rückblick (PDF)