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Stadt- und Regionalentwicklung in wissenschaftlichen und praktischen Perspektiven

Mentoring-Programm von ARL und FRU

Das Halbzeittreffen des laufenden Mentoring-Jahrgangs 2019 fand im April 2021 als virtuelle Veranstaltung statt. Sehr erfreulich war, dass alle Mentees Fortschritte vorweisen und zum Teil auch über in Planung befindliche Veröffentlichungen berichten konnten.

Lisa Bartels betrachtet in ihrem Projekt das Thema „Funktionsmischung statt Monofunktionalität – Transformationsansätze für Innenstädte von Kleinstädten“ und nimmt dabei Kleinstädte mit 5.000 bis 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern in den Blick. Rund ein Viertel der Bevölkerung Deutschlands lebt in Kleinstädten dieser Größenordnung. Im Mittelpunkt der praxisbezogenen Arbeit stehen Transformationsansätze für identitätsstiftende Gebäude in „mixed-used Immobilien“. Als Hintergrund dienen verschiedene laufende sowie abgeschlossene Forschungsvorhaben aus dem Bereich der Kleinstadtforschung, z. B. von BBSR, ARL und Thünen-Institut. Aufgrund der Aktualität und der zu erwartenden Langzeitfolgen der Corona-Pandemie für die Innenstädte werden ihre Auswirkungen mitbetrachtet. Die Herausforderung liegt vor allem in der Systematisierung der untersuchten Erfolgsfaktoren. Das wurde in der anschließenden Diskussion deutlich, in der auch verschiedene theoretische Zugänge abgewogen wurden. Das Projektziel im Rahmen des Mentorings umfasst die Erarbeitung eines Zeitschriftenartikels.

Nadine Kießling berichtete zum Stand ihrer Dissertation, die sich dem Thema „Steuerungsfähigkeit und -wirkungen der Raumplanung in Deutschland und in der Schweiz“ widmet und die sie an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) begonnen hat. Jetzt arbeitet sie beim Regionalverband Bodensee-Oberschwaben in Ravensburg, wo die Widerstände gegen den Regionalplanentwurf Oberschwaben, deren Gründe und wie damit umzugehen ist, einen sehr guten Praxis-Check für ihre theoretische Arbeit bildet. Nadine Kießling beleuchtet in ihrer Arbeit die verschiedenen politischen Einflüsse auf die Planung und spiegelt Instrumente und Planungsprozesse mit auftretenden Hürden in der Praxis. Als zentrales Problem hat sie die unzureichende Kommunikation nicht nur spezifischer Planinhalte, sondern vor allem auch der Aufgabe und Reichweite von Regionalplanung insgesamt identifiziert, zu der es in der Öffentlichkeit teilweise völlig unrealistische Erwartungen gibt, weshalb sie jetzt an einer Verbesserung der Kommunikation regionaler Planungsprozesse in der Siedlungsentwicklung arbeitet. Projektziel im Rahmen des Mentorings ist ein Buchbeitrag in einem Sammelband zum Thema „Stadtregionales Flächenmanagement“.

Nina Wahrhusen wollte das Mentoring vor allem als Vorbereitung für den Einstieg in die Praxis nutzen. Sie arbeitet seit kurzem bei der Bezirksregierung Köln und ihr Thema sind die Möglichkeiten der Regionalplanung zur Flächensteuerung in Stadtregionen. Dieses Thema untersuchte sie zuvor im Rahmen ihrer Dissertation anhand von Fallstudien der Regionen Köln, Rostock und Stuttgart, die sie zwischenzeitlich abgeschlossen hat. Ihre theoretische Analysebasis stellt das Konzept der Social-political Governance dar, mit dem sie ihre Fallbeispiele in den Dimensionen Zielsetzung, Instrumente und Umsetzung untersucht und mit den unterschiedlichen Planungsebenen unterschiedliche Governance-Formen (hierarchische Governance, Co-Governance und Self-Governance) korreliert hat. Nina Wahrhusen plant ebenfalls einen Beitrag im Handbuch „Stadtregionales Flächenmanagement“.

Erik Wilde leitet die Abteilung Stadtentwicklung/Untere Denkmalschutzbehörde in Greifswald und wünscht sich durch das Mentoring ein persönliches Coaching und praktische Beratung für eine partizipative Stadtteilentwicklung der Steinbeckervorstadt in Greifswald. Die Entwicklung des Stadtteils wird durch zwei seit Jahren nicht mehr verfolgte B-Plan-Verfahren gehemmt. Die daraus resultierenden fehlenden Steuerungsmöglichkeiten bewirkten, dass ein anstehendes Investorenvorhaben nur nach § 34 BauGB beurteilt werden konnte, was erwartungsgemäß zu sehr unterschiedlichen fachlichen Einschätzungen führte. Im Rahmen der Erstellung eines Masterplans (2020) und der weiteren Konkretisierung wird nun ein Bindeglied zwischen den alten Planentwürfen und aktuellen Entwicklungen sowie Anforderungen gesucht. Seine Idee ist die Initiierung eines prozessbegleitenden Forums außerhalb der Verwaltung zur besseren Erreichbarkeit der Akteure und Erhöhung der Transparenz, Legitimation und Akzeptanz des Planungsprozesses. 

Vera Buttmann arbeitet seit kurzem in der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zum Thema „Wohnungsneubau“. Sie möchte aber nach wie vor promovieren und hat anlässlich ihrer Bewerbung auf ein Stipendium ihr Thema mit dem Arbeitstitel „Verantwortungskrise in der Klimakrise, Potenziale einer Zuordnung von Treibhausgas-Reduktionszielen auf subnationaler Ebene“ konkretisiert. Kann eine räumlich differenzierte Zuordnung von Treibhausgas-Reduktionszielen zur Bewältigung der Verantwortungs- und Klimakrise beitragen? In der Diskussion ging es einerseits um Definitionen und Ziele der Klimapolitik und andererseits um die mögliche disziplinäre Verortung der Arbeit. Institutionell könnte das Geographische Institut der Humboldt-Universität Berlin sowohl für die räumlich-geographische als auch die soziologisch-politologische Perspektive ihrer geplanten Dissertation interessant sein.

Jessica Baier ist Soziologin und war Doktorandin im TRUST-/ARL-Promotionskolleg. Ihre Dissertation zur Raumbedeutung von privaten Hochschulen aus Sicht von Studierenden unterscheidet vier Typen: Infrastruktur- bzw. Bildungszertifikat-Interessierte, Life-Balance-Orientierte, Peer-Orientierte und Kolleg-Studierende mit voller Integration in das Hochschulleben und den Hochschulstandort. Die intensive Begleitung durch ihre Mentorin hat zu einer Schärfung der raumwissenschaftlichen Perspektive ihrer Dissertation beigetragen. Im November 2020 hat Jessica Baier die Dissertation eingereicht und bereitet nun die Disputation zusammen mit ihrer Mentorin vor. Aus den Ergebnissen ihrer Studie würde sie gern eine kleine Tagung und einen Zeitschriftenbeitrag entwickeln.

Henning Boeth hat seine Promotion vor einigen Wochen abgegeben und arbeitet nun im Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner. Das zwischenzeitlich schon erreichte Ziel des Mentorings war der Berufseinstieg nach der Promotion mit einer Arbeit an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis. Henning Boeth möchte nun Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung wachsender Städte erarbeiten, wobei er sich in seiner Dissertation mit der Steuerung der Reurbanisierung in Mittelstädten befasst hat. In der Diskussion wurde ihm empfohlen, aufgrund seiner empirischen Grundlagen zu Mittelstädten in seiner Dissertation auch Empfehlungen für diese abzuleiten, sowie seine Zielgruppe(n) vorab zu definieren. 

Im Anschluss an die Präsentationen der Mentees gab es einen Erfahrungsaustausch und eine Aussprache über das Mentoring und die Fortbildungsveranstaltungen. Die gemeinsame Fortbildungsveranstaltung zu Kommunikation und Konfliktmanagement konnte nur virtuell stattfinden. Bei den von den Mentees frei zu wählenden Fortbildungen gab es eine große Vielfalt an Themen, was im Sinne des Programms ist, um individuell passgenaue Unterstützung zu bieten. Die Zweiteilung der Fortbildungsveranstaltungen in eine gemeinsame und eine individuelle empfanden die Mentees als sinnvoll.

Zum Verhältnis von Mentorinnen/Mentoren und Mentees gab es die Frage, von wem die Initiative für Kontakte ausgehen sollte. Trotz der in der Regel beruflich sehr eingespannten Mentorinnen und Mentoren wurden die Mentees ermuntert, bei Bedarf immer initiativ zu werden und die gewünschte Unterstützung einzufordern.

Aus den vom FRU in Auftrag gegebenen Evaluierungsstudien wurden zudem einige Empfehlungen für das weitere Mentoring ausgesprochen. Dazu zählen bspw. die Initiierung eines Online-Jour-fixe für eine bessere Kommunikation der Mentees untereinander, persönliche Treffen und niedrigschwellige Zugänge zum ARL-Netzwerk. Die ARL-Geschäftsstelle bot hier an, Kontakte zu den Landesarbeitsgemeinschaften herzustellen, um dezentral den Zugang zum Netzwerk sowie für Aktivitäten und Einblicke zu erleichtern.

Mehr Informationen zum FRU sowie zum Mentoring-Programm gibt es hier: http://fru-online.de/

Dr. Martha Pohl, Dipl.-Ing. Raumplanung
zuletzt Geschäftsführerin in der Handelskammer Bremen
baracunatana@t-online.de