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Jenseits von Großstadt und ländlichen Räumen – was wir über Kleinstädte (nicht) wissen

Das „Positionspapier Kleinstadtforschung“ des Ad-hoc-Arbeitskreises der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) fasst erstmals den Stand der empirischen Forschung zu Kleinstädten zusammen und fokussiert die anstehenden Aufgaben einer zeitgemäßen Kleinstadtforschung.

Stadtforschung ist in Deutschland traditionell großstadtorientiert. Auch medial genießen großstädtische Themen und Probleme vorrangige Aufmerksamkeit. Damit stehen die Situation kleinerer Städte und die sie prägenden Strukturen, Verflechtungen und Trends im Schatten des viel diskutierten Großstadtwachstums und der neuen Bedeutung des Städtischen im Zeichen der Reurbanisierung. Zu anderen Stadttypen, insbesondere zu Kleinstädten mit zwischen 5.000 und 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, wurde bisher empirisch wenig geforscht. Dabei lebt knapp ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland in über 2000 Kleinstädten. Keine andere Siedlungskategorie ist so stark vertreten (s. Abb.). Zugleich wird das, was es an Studien zu Kleinstädten gibt, nicht ausreichend wahrgenommen. So halten sich in öffentlichen und teils auch in wissenschaftlichen Diskursen zahlreiche stereotype Vorstellungen und Erzählungen, die Kleinstädte entweder als Orte idyllischen Landlebens oder abwertend als kleinbürgerlichen und rückwärtsgewandten Gegenentwurf zur weltoffenen Großstadt thematisieren. In wissenschaftlichen Arbeiten werden Kleinstädte oft zusammen mit Mittelstädten in einer Mischkategorie als Forschungsgegenstand betrachtet oder als Teilkategorie unter ländlichen Räumen subsumiert, obwohl 56 % der Kleinstädte in räumlich zentralen Lagen zu finden sind. Allein dies deutet darauf hin, dass sich sowohl die Ausgangslagen und Problemstellungen kleiner Städte als auch ihre Chancen je nach Lage im Raum, wirtschaftlichen Gegebenheiten und baulicher Struktur unterscheiden. Kleinstädte sind nach Auffassung des Ad-hoc-Arbeitskreises Kleinstadtforschung der ARL deshalb als ein eigenständiger, vielfältiger Siedlungstyp zu verstehen.

Die Funktionen, Leistungen und Potenziale von Kleinstädten für die dort lebenden und arbeitenden Menschen, aber auch als Anker im regionalen Kontext und polyzentrischen Siedlungssystem wurden bisher wenig betrachtet. Interne Differenzierungen der Kleinstädte, etwa zwischen der Kernstadt, den Erweiterungsgebieten der Nachkriegszeit und den eingemeindeten Dörfern, oder zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen finden in der Wissenschaft kaum Beachtung. Dies ist unter anderem nicht vorhandenen oder nur schwer zugänglichen Daten geschuldet. Umso mehr sind evidenzbasierte Forschungen, aber auch eine Berücksichtigung kleiner Städte in der universitären Lehre sowie Planungspraxis erforderlich. Das Positionspapier fordert eine theoretisch wie empirisch fundierte Kleinstadtforschung und enthält zugleich Empfehlungen für Forschung, Lehre, amtliche Statistik und Wissenschaftsförderung.

Literatur

Fachkontakte

  • Lars Porsche, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Lars.Porsche@BBR.Bund.de (Leitung des Ad-hoc-Arbeitskreises)
  • Dr. Annett Steinführer, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, annett.steinfuehrer@thuenen.de (Leitung des Ad-hoc-Arbeitskreises)
  • Dr. Martin Sondermann, Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL), sondermann@arl-net.de (Geschäftsstelle der ARL)

 

Abb.: Bedeutung der Kleinstädte nach Anzahl, Fläche und Bevölkerung 2017 / Quelle: Laufende Raumbeobachtung des BBSR (Daten: 2017)

 

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