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Neue Rahmenbedingungen für das Flächenmanagement in Baden-Württemberg

Baden-Württemberg hat sich mit ganz unterschiedlichen Entwicklungen in demographisch schrumpfenden, vorwiegend ländlichen Regionen und in prosperierenden Wachstumskernen wie Stuttgart und Karlsruhe auseinanderzusetzen. Eine nachhaltige Flächen- und Regionalentwicklung hat diese Heterogenität zu berücksichtigen, somit waren Möglichkeiten und Probleme eines qualitativen Flächenmanagements Thema der 113. Sitzung der LAG in Karlsruhe am 9. und 10.10.2014.

1 Herausforderungen für Land und Region: demographischer Wandel und Auswirkungen des Klimawandels

Dr. Bernhard Hochstetter vom Statistischen Landesamt Baden-Württembergs verdeutlichte anhand der aktuellen regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung die unterschiedlichen Entwicklungsvoraussetzung in den Strukturräumen: Haben die Oberzentren in den Verdichtungsräumen - insbesondere die Hochschulstandorte, die bis 2030 mit einem bis zu 10%igem Zuwachs rechnen können – zunächst noch ein Bevölkerungswachstum zu verzeichnen, wird in im ländlichen Raum die Bevölkerung langfristig sinken (Abb. 1).

Abb. 1: Bevölkerungsentwicklung nach Zentrumsfunktion und Raumkategorien in Baden-Württemberg (seit 1990 sowie Vorausberechnung)

Da langfristig auch in den Oberzentren jedoch mit dem demographisch bedingten Rückgang der relevanten Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen das Wachstumspotenzial langfristig sinkt, ist auch in Baden-Württemberg der landesweite Bevölkerungsrückgang „nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben“ – vor einer vorauseilenden Flächenentwicklung in den (heutigen) Wachstumskernen sei vor dem Hintergrund der künftigen demographischen Schrumpfung daher dringend gewarnt. Die Kriterien zur Flächeninanspruchnahme der Kommune sollten entsprechend auf eine veränderte Nachfrage hin angepasst werden.

Als weiterer Megatrend wird auch der Klimawandel in Baden-Württembergs einschneidende Auswirkungen haben, hier sind die Teilräume des Bundeslandes ganz unterschiedlich betroffen. Prof. Heidi Megerle, Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg am Neckar, stellte eine Untersuchung vor, die sich explizit auf die Raumkategorie des ländlichen Raumes bezieht und anhand von Interviews mit kommunalen Verantwortlichen Vulnerabilität und Handlungsoptionen verdeutlicht . Anhand dreier Modellgebiete und ausgewählter Kommunen wurde die Vulnerabilität konkreter Wirtschaftsfelder dargestellt, wie bspw. die Forstwirtschaft, Landwirtschaft und Wasserwirtschaft. So werde der Klimawandel mit längeren Hitzeperioden und höherer Trockenheit im Sommer für die Landwirtschaft in Baden-Württemberg grundsätzlich negative Auswirkungen haben, bspw. auf die Ertragssicherheit. Der ländliche Raum würde sich zunehmend zum Energieproduzenten entwickeln, einhergehend mit Nutzugskonflikten vor allem mit der Energiewirtschaft (Flächen für den Anbau von Energiepflanzen), dem Hochwasserschutz und dem Arten- und Naturschutz. Konzepte zum Waldumbau zugunsten wärmeresistenterer Arten seien für einige Landkreise mit hohem Waldanteil dringend notwendig.

2 Steuerung der Flächenentwicklung im Außen- und Innenbereich

Spezifische Probleme der kommunalen, kooperativen Siedlungsflächenentwicklung als wesentliches Anliegen der Regionalplanung stellte Dipl.-Geogr. Martin Samain für die grenzüberschreitende Region Donau-Iller dar. Die Region müsse sich zwischen den Metropolregionen Stuttgart und München positionieren und gleichzeitig den Zentren als „Entlastungsraum“ dienen. Die Regionalplanung hätte hier bspw. Möglichkeiten, Vorranggebiete für Gewerbe/Industrie auszuweisen und die Berechnung von Flächenpotenzialen regionalspezifisch anzupassen – und den schwierigen Auftrag, den Gemeinden das Ziel des Flächensparens nahe zu bringen, solange diese „reflexhaft“ Argumente für neue Flächenausweisungen sammelten. Interkommunale Kooperation sei eine zu selten gewählte Möglichkeit, den gemeindlichen Flächenverbrauch zu reduzieren. Da jedoch bisher wenig Innenentwicklung betrieben wird und hier noch umfangreiche Potenziale vorliegen, sollte die Mobilisierung des Flächenbestandes regional koordiniert werden.

So gehen Dirk Seidemann und Dr. Hany Elgendy in ihrem Beitrag der Frage nach, warum trotz bestehender Flächenreserven weiterhin Flächen ausgewiesen werden. Für eine Flächenmanagementstrategie für Ostwürttemberg wurde eine Fortschreibung der kommunalen Flächenpotenziale erstellt und in Interviews mit Gemeindevertretern und Gewerbetreibenden die Ziele der kommunalen Flächenentwicklung erhoben. Hiernach liegen die meisten Siedlungsflächenpotenziale im ländlichen Raum und in kleineren Gemeinden. Insgesamt wurde nur wenig Fläche für Gewerbezwecke in den letzten Jahren in den befragten Gemeinden in Anspruch genommen – und wenn, dann von Gewerbetreibenden vor Ort, die eigene Flächenreserven auf ihrem Grundstück vorhalten würden. Ein regionales Flächenmanagement sei aufgrund dieser Erhebungen als (variabler) Prozess zu etablieren, der mit kommunalen Ausgangslagen differenziert umgehen muss. Neben kooperativen Ansätzen ist die Entwicklung von innerörtlichen Flächen und Beständen ein zentrales Thema nachhaltigen Flächenmanagements. Dr. Barbara Malburg-Graf vom Stuttgarter Büro Plan_N stellte Erfahrungen aus dem Modellprojekt MELAP PLUS vor, das mit den Ansätzen der Akteursbeteiligung und Prozessbegleitung der Frage nachgeht, wie Innenentwicklung gelingen kann und entsprechende private und kommunale Initiativen bis 2016 über ELR-Mittel fördert. So werden bspw. untergenutzte öffentliche Gebäude einer neuen (kombinierten) Nutzung zugeführt, Leerstand neu in Wert gesetzt und lokale Initiativen unterstützt (Abb. 2).

Abb. 2: Die gesteuerte bzw. geförderte Nachnutzung von untergenutzten Gebäuden bedeutet, die Ortsstruktur „zusammenzuhalten“ und Perforierung und Verfall entgegen zu wirken.

Zu Handlungsfeldern für die kommunale Flächenentwicklung würden so bspw. die Pflege der regionalen Baukultur und die Anpassung von Bestandsgebäuden an veränderte Bedarfe werden. Herausforderungen an Stadtregionen in Baden-Württemberg am Beispiel Karlsruhe Auch die Zentren stehen in Baden-Württemberg vor großen flächenpolitischen Herausforderungen – jedoch mit gänzlich anderen Vorzeichen. Bevölkerungszuwachs und stark eingeschränkte Flächenreserven stellen bspw. die Stadtplanung Karlsruhes vor Probleme, die eine starke und kreative Steuerung der Infrastrukturentwicklung zur Folge haben. So stellt die Leiterin des Stadtplanungsamtes Prof. Dr. Anke Karmann-Woessner die Frage: „Wie plant man eine Planstadt weiter?“ und verdeutlicht die nachhaltigen Auswirkungen, die die geometrische, historische Stadtgestalt auf Entwicklungskonzepte hat. Der historische Grundriss der 1715 gegründeten Stadt ist vorgegeben und soll nach wie vor erlebbar sein (Abb. 3) – die Lebensqualität werde jedoch erheblich durch das wachsende Verkehrsaufkommen und die hohe Baudichte beeinträchtigt.

Abb. 3: Strahlenförmige Struktur ausgehend vom Schloss: Karlsruhes Grundriss ist Alleinstellungsmerkmal und Herausforderung für die Stadtentwicklung. Foto: Präsentation Karmann-Woessner, 10.10.2014

Vor allem der Umbau des Verkehrssystems beschäftigt die Stadtentwicklung seit einigen Jahren, die Bürger sind von den Entwicklungsmaßnahmen entsprechend stark betroffen. Eine Möglichkeit, zumindest den Umbau des Verkehrssystems einigermaßen verträglich zu gestalten, nutzt die Stadt, indem sie ein „dynamisches Baustellenmanagement“ eingeführt hat. Neben der Baustellenkoordinierung ist ein flexibles Informations- und Beschwerdemanagement eingerichtet worden, über das sich Betroffene wie bspw. Einpendler tagesaktuell über bestehende und geplante Baubereiche informieren können. Das Management, das vom Baustellenkoordinator des Tiefbauamtes Jürgen Lohmeyer vorgestellt wurde, hat auch zur Folge, dass die einzelnen Projekte zum Großteil planmäßig abgeschlossen werden können. So könne der „Stadtumbau“ Karlsruhes, der die Stadt für die nächsten Jahre von der Plan- zur Prozessstadt umdefiniert, trotz massiver Einschränkungen für alle Akteure bewältigt werden.

Die Beiträge der 113. Sitzung der LAG Baden-Württemberg konnten eindrucksvoll die Herausforderungen des gemeindlichen und regionalen nachhaltigen Flächenmanagements verdeutlichen. Ansätze qualitativer Innenentwicklung und interkommunaler Flächenentwicklung wurden intensiv diskutiert – ebenso die schwierige und oft „undankbare“ Rolle der Regionalplanung mit ihrem vermittelnden und gleichzeitig fordernden Anspruch, die Hauptakteur in einem regionalen Flächenmanagement sein muss.