Workshop Grenzräume – Miteinander über Grenzen hinweg?
Warum über Grenzen hinweg zusammenarbeiten? Der Moderator der AG, PD Dr.-Ing. Thomas Weith vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), verdeutlichte in seiner Einführung, dass die Ziele grenzüberschreitender Zusammenarbeit sehr vielfältig sein können. So verfolgt die EU mit ihrer Politik das Ziel, ihren wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt zu stärken, um eine harmonische Entwicklung der Union als Ganzes zu fördern (Art. 174 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU). Zur Förderung einer harmonischeren Entwicklung der Union ist – laut dem Grünbuch zum territorialen Zusammenhalt – eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit vonnöten, denn viele gesellschaftliche Probleme, wie z. B. die Zunahme von Überschwemmungen infolge des Klimawandels, eine zu geringe Wettbewerbsfähigkeit von Regionen, technische Störfälle von Industrieanlagen oder der Verlust der biologischen Vielfalt, machen oft nicht vor politisch-administrativen Grenzen halt.
Prof. Dr. Gerold Janssen vom Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung erläuterte in seinem Vortrag, wie sich mithilfe der Einrichtung eines Europäischen Verbundes für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) eine informelle Zusammenarbeit von Akteuren aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten der EU in eine formelle Kooperationsform überführen lässt. Es handelt sich um ein Rechtsinstrument (EU-Verordnung 1082/2006), das der grenzüberschreitenden, interregionalen und transnationalen Zusammenarbeit in der Union dienen soll (Ziel 3: Europäische territoriale Zusammenarbeit). Das Instrument eröffnet den Mitgliedstaaten der EU die Möglichkeit, die Verwaltung der Ziel 3-Programme (INTERREG IV) an einen EVTZ zu delegieren. Es ist aber nicht auf die Umsetzung der Ziel 3-Programme beschränkt, sondern kann auch außerhalb der Strukturfonds Anwendung finden. Janssen stellte drei Praxisbeispiele vor: den französisch-belgischen Städteverbund Lille-Kortijk-Tournai, die ungarisch-slowakische Region Ister-Granum und die portugiesisch-spanische Flusslandschaft des Duero-Douro. Bislang sind sechs EVTZ gegründet worden; 30 weitere befinden sich im Aufbau. Der Mehrwert eines EVTZ sei in seiner Ausgestaltung als juristische Person mit großer Handlungsfähigkeit zu sehen, so Janssen. In der Diskussion wurde deutlich, dass ein EVTZ ein sinnvolles Instrument sein kann, um Rechts- und Planungssicherheit in der territorialen Zusammenarbeit zu schaffen, dass seine Eignung aber im jeweiligen Einzelfall zu prüfen ist, weil der Erfolg von informellen und formellen Kooperationen immer von der fallspezifischen Akteurskonstellation und den jeweiligen Rahmenbedingungen abhängig ist.
Im Impulsstatement von Prof. Dr.-Ing. Jiřina Jílková, Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung, wurden die Planungs- und Handlungsräume grenzüberschreitender Zusammenarbeit am Beispiel des „Begrünten Dreiländerecks“ – früher „Schwarzes Dreieck“ – im trilateralen Grenzraum zwischen Sachsen, Tschechien und Polen genauer unter die Lupe genommen. In der Evaluation der Entwicklungsverläufe zwischen 1990 und 2006 im Dreiländereck kommt Jílková u. a. zu dem Ergebnis, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den Grenzregionen eher von öffentlichen Programmen initiiert wird als dass sie von den Kräften des gemeinsamen Binnenmarkts angetrieben wird. Die Triebkraft der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sei zumeist die Bemühung, Mittel aus öffentlichen Fonds zu erhalten, nicht die Erwartung eines beiderseitigen Nutzens aus den gemeinsamen Aktivitäten.
Zu Lande, zu Wasser und in der Luft
Dr. Mathias Schubert vom Ostseeinstitut für Seerecht, Umweltrecht und Infrastrukturrecht der Universität Rostock verdeutlichte in seinem Vortrag „Maritime Raumordnung in der Europäischen Union“, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der EU nicht nur auf Fragen der terrestrischen Raumentwicklung beschränkt ist. Vor allem die EU-Kommission forciert politische Initiativen zur Aufwertung der maritimen Raumordnung, um damit zu einer nachhaltigen Entwicklung der Meeresgebiete und Küstenregionen beizutragen. Die Initiativen basieren u. a. auf der Erkenntnis, dass der Abstimmungsbedarf zwischen konfligierenden Raumnutzungsansprüchen der Windwirtschaft, der Schifffahrt und Fischerei, des Meeresumweltschutzes, der Rohstoffgewinnung und anderer Nutzergruppen relativ stark zunimmt. Wird die EU infolgedessen einen rechtsverbindlichen Rahmen für die maritime Raumordnung der Mitgliedstaaten schaffen? Schubert kommt zu dem Schluss, dass die Rechtssetzungskompetenz für die maritime Raumordnung entsprechend der allgemeinen Kompetenzverteilungsregel (Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 Satz 2 des Vertrags über die EU) bei den Mitgliedstaaten verbleibt, solange die Mitgliedstaaten diese Zuständigkeit nicht vertraglich an die Union übertragen. Laut Schubert lässt sich im aktuellen europäischen Primärrecht keine Kompetenznorm nachweisen, kraft derer die EU zur Setzung raumordnungsrechtlicher Regelungen befugt wäre.
Insgesamt zeigte die breite und anregende Diskussion in der AG, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der EU an sich als sinnvoll angesehen wird, dass die Ansichten über die Art und Weise ihrer Förderung und Durchführung aber zum Teil sehr unterschiedlich sind.
Peter Müller