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ARL-Kongress 2019 im Rückblick

27.-28. Juni 2019 in Kassel

 

Mehr oder weniger? Raumentwicklung braucht Postwachstum!

Die Endlichkeit natürlicher Ressourcen und der Klimawandel verlangen nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsformen. Die Sinnhaftigkeit von kontinuierlichem materiellem Wachstum wird auch in den Raum- und Planungswissenschaften zunehmend in Frage gestellt und es werden Alternativen zur Wachstumsorientierung gesucht. Ergänzt wird die Debatte durch Leitziele der Gemeinwohlorientierung, demokratischen Mitbestimmung und sozialen Teilhabe.

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Am 27. und 28. Juni 2019 haben sich in Kassel 180 Expert*innen aus Wissenschaft, Planungspraxis und der Zivilgesellschaft mit der Frage beschäftigt, wie eine Raumentwicklung aussehen kann, die nicht mehr auf ökonomisches bzw. quantitatives Wachstum ausgerichtet ist.

Der diesjährige ARL-Kongress war damit die bisher größte Veranstaltung für die Raumwissenschaften und die Planungspraxis, auf der räumliche Implikationen und Herausforderungen postwachstumsorientierter Konzepte diskutiert wurden. Trotz ihrer langjährigen Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsfragen und dem sparsamen Umgang mit der Ressource Fläche scheinen die gängigen Konzepte, Modelle und Instrumente der Raumforschung und Raumordnung eher dem traditionellen Wachstumsparadigma verhaftet.

So wird zum Beispiel der Erfolg regionalpolitischer Maßnahmen weiterhin an klassischen Indikatoren wie Wirtschaftsleistung (BIP), Arbeitsmarktzahlen oder Unternehmensgründungen gemessen ohne zu hinterfragen, welche Art von Geschäftsmodellen, Produkten, Herstellungsverfahren und Konsummustern diese «Entwicklung» tragen. Es fehlt an konzeptionellen Anstößen für alternative, d. h. nicht an materiellen Wachstumsindikatoren orientierten Entwicklungsmodellen und ihrer planerischen Umsetzung und Begleitung.

Der Kongress war der Startpunkt für eine grundsätzliche Diskussion und ein kritisches Nachdenken in den Raumwissenschaften über Potentiale und Grenzen von bestehenden Konzepten, wie der sogenannten „Green Economy“, der „Sharing Economy“ oder „Smart Growth“. Darüber hinaus ging es auch um die Frage, welche Vorstellungen von „Qualitativem Wachstum“ die Raumwissenschaften haben und welchen Beitrag Planung bei der Umsetzung alternativer Visionen leisten kann. So weisen jüngste Arbeiten zur Boden- und Immobilienfrage – etwa die Bodenpolitische Agenda von difu und vhw sowie die Stellungnahme des Bundes Deutscher Architekten (BDA) – auf einen Trend zu grundlegenderen Auseinandersetzungen in den Raumwissenschaften hin.

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Zugleich existieren zahlreiche Initiativen und Projekte zu postwachstumsökonomischen Themen. Nachhaltigkeitsinitiativen und zivilgesellschaftliches Engagement auf kleinräumiger Ebene zeigen den Wunsch der Gesellschaft nach Wandel und wie dieser im Kleinen konkrete Konturen gewinnen und umgesetzt werden kann. In vielen Städten gibt es Co-Working Spaces, FabLabs (offene Hightech-Werkstätten zum Selbermachen), Repair Cafés, Zero-Waste-Läden, solidarische Landwirtschaft und urbane Gärten. Sie entstehen vielerorts in Gemeinschaften, die Arbeit neu definieren und sich wenig an Lohn und Leistung, sondern an Gemeinwohl, Glück und einem sozial-ökologischen Gleichgewicht ausrichten. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie weiterverwerten und reparieren statt wegzuwerfen, gemeinschaftlich nutzen, teilen, schenken, leihen und kooperativ sowie partizipativ organisiert sind. Die Betreiber*innen verbinden gesellschaftspolitisches Engagement mit alternativ-solidarischen Arbeits- und Produktionsverhältnissen. Hier werden nicht nur nützliche Dinge hergestellt und Dienste unentgeltlich oder günstig angeboten, sondern es entsteht auch eine Community für Gemein- und Nachbarschaften, die sich vernetzen, gegenseitig unterstützen, vertrauen, und Wissen austauschen.

Nehmen die Raumwissenschaften und die Planungspraxis begrenzte Ressourcen, die Klimakrise und Verlust der Artenvielfalt mit Blick auf Generationen- und damit Zukunftsgerechtigkeit ernst, muss Postwachstum als Leitbild für die Raumentwicklung entwickelt und systematisch mitgedacht werden. Das bisherige Wachstumsparadigma muss ergänzt und ersetzt werden.

Die abschließende Fishbowl-Diskussion; © ARLDie auf dem Kongress geführten Debatten zu Postwachstum und Raumentwicklung verdeutlichen, dass umfangreiches Wissen über das Ausmaß der Krise(n) vorhanden ist, für ihre Überwindung aber Instrumente, Leitbilder und Erfahrung fehlen.

Es braucht (gesellschafts)politischen Druck und den Willen zu weitreichenden Veränderungen, um vorhandene Erkenntnisse auch umzusetzen. Um Prozesse der Transition und Transformation, im Sinne eines Übergangs sowie strukturellen Wandels mit zu gestalten, muss die Planung eine aktive Rolle einnehmen und mehr Mut und Bereitschaft zum «Machen» entwickeln.

Die Zusammenarbeit mit Pionieren des Wandels zeigt Wege und Möglichkeiten auf, die Teil der Planung werden können. Das setzt gegenseitiges Vertrauen zwischen Planungspraxis und Pionieren voraus. Flankierend dazu kann die raumbezogene Forschung die Praxis stärken, indem sie Prozesse des Ausprobierens und Integrierens begleitet und neue Umsetzungsstrategien entwickelt, die zu nachhaltigen Lösungen für Wohnen, Mobilität und Verkehr sowie Flächenverbrauch und Infrastrukturentwicklung führen. Ziel muss es sein, den eigenen Lebensraum, aber auch den Planeten Erde wieder stärker nach Prinzipien der Gerechtigkeit und Suffizienz und damit zukunftsfähig zu gestalten.

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Programm

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Dr. Martina Hülz (ARL)
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